Fleisch und Blut 2: Thriller (German Edition)
wahrscheinlich aufhielt. Claire wusste sofort, dass es ein Fehler gewesen war, ihn nicht gezielt danach zu fragen. Gleichzeitig wusste sie aber auch, dass es nicht der richtige Zeitpunkt war, um sich Vorwürfe zu machen. Immerhin waren sie unterbrochen worden, noch bevor sie dazu gekommen war, mehr über all das herauszufinden, was bis dahin in Plain Rock vorgefallen war.
Anfangs hatte sie vielleicht noch darauf vertraut, dass einzig und allein die Verbindung zu George ausreichen würde, um ihn zu finden. Immerhin, dachte sie, war es auch diese verdammte Verbindung gewesen, die sie auf dem schnellsten Weg nach Plain Rock gelotst hatte. Doch gerade in diesem Augenblick wurde sie sich vollends der Tatsache bewusst, dass sie seit ihrer Ankunft keine einzige Regung mehr von George vernommen hatte. Vielmehr herrschte inzwischen totale Funkstille . Claire kam es beinahe so vor, als hätte er die Verbindung gezielt gekappt, um sie noch mehr durcheinanderzubringen.
Doch sie kannte Georges Verschlagenheit und ließ sich deswegen nicht davon beirren. Ganz egal, was er auch vorhatte, dachte Claire, die eigentümliche Ruhe durfte sie nicht darüber hinwegtäuschen, dass er ein verdammt gefährlicher Gegner war.
Ein Gegner, dachte sie, der keine Sekunde zögern würde, sie zu töten.
Mit Sicherheit nicht…
„Und was jetzt?“, fragte Roger und riss Claire aus ihren Gedanken. Als sie ihn ansah, erkannte sie sofort, dass er wirklich nichts dem Zufall überlassen hatte:
Er trug eine schwarze Armeeweste, die mit allerlei nützlichen Dingen präpariert war. Etliche Ersatzmagazine waren darin verstaut - ebenso einige Handgranaten und ein Bajonett mit überlanger Klinge. In seinen Händen hingegen hielt er ein automatisches Gewehr, dessen Lauf so riesig aussah wie ein gusseisernes Kanonenrohr.
Auch wenn Claire ihm nicht vollends vertraute, so war sie in diesem Augenblick sehr froh, ihn an ihrer Seite zu haben.
„Wir müssen los“, sagte sie.
„Wohin?“, fragte Roger.
„Sie werden schon sehen“, sagte Claire, obwohl sie selbst noch immer keinen blassen Schimmer hatte. Dann wandte sie sich dann zu Teddy um.
„ Los, steigen Sie in den Wagen und verschwinden Sie von hier. Noch ist genug Zeit dafür. Sie können es schaffen.“
„Kommt nicht infrage“, sagte Teddy sofort, „ich komme mit Ihnen. “
Claire musterte ihn einen Augenblick lang, besah abermals seinen gebrochenen Arm und seine angsterfüllten Augen. Der alte Mann war verletzt und am Ende seiner Kräfte, dachte sie. Die Chancen, dass er einen direkten Kampf mit George überlebte, standen daher nicht gerade gut. Gleichzeitig wusste Claire jedoch auch, dass sie keine Zeit mehr vergeuden durfte. Wenn er mitkommen wollte, dachte sie, dann war es seine eigene Entscheidung. Denn im Gegensatz zu dem Jungen war Teddy immerhin schon alt genug, um die Gefahr richtig einschätzen zu können, die nach Sonnenuntergang in der Stadt auf ihn lauerte.
Nicht nur auf ihn...
Trotzdem versuchte sie, ihm sein Vorhaben ein letztes Mal auszureden:
„Niemand nimmt es Ihnen übel, wenn Sie sich a us dem Staub machen“, sagte sie. „Steigen Sie einfach in den verdammten Wagen und verschwinden Sie. Sie sind niemandem etwas schuldig, Ted.“
„Doch“, erwiderte Teddy sofort, „dem Jungen bin ich sehr wohl noch etwas schuldig, Miss Hagen. Er hat mir das Leben gerettet – zweimal sogar. Und nun bin ich an der Reihe, mich bei ihm zu revanchieren.“
Claire sah ein, dass an Teddys Entscheidung nicht zu rütteln war. Auch wenn er ihnen nicht gerade eine große Hilfe sein würde, dachte sie, so mussten sie ihn dennoch mitnehmen. Sie konnten ihn nicht zurücklas sen, denn das wäre sein sicheres Todesurteil gewesen.
„Also gut“, sagte Claire schließlich.
Sie wechselte einen Blick mit Roger und gleich darauf machten sie sich auf den Weg, zurück zu Claires Wagen, der noch immer in der Nähe der Kirche geparkt war.
Claire lief voran, Roger und Teddy folgten ihr.
Währenddessen versank die Sonne endgültig hinter dem gezackten Horizont. Sie hinterließ nichts weiter als ein feuriges Glühen, das mit jeder Minute schwächer wurde und zusehends verblasste.
Die Nacht brach über der Stadt herein.
Dritter Teil.
Der Abstieg.
„...und ohne dass Blut vergossen wird,
gibt es keine Vergebung.“
Hebräer 9,22
82.
Peter hatte es geschafft.
Er hatte den Abstieg hinter sich gebracht, ohne sich dabei das Rückgrat zu brechen. Ganz ohne Verletzungen war er dennoch nicht
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