Fleisch und Blut 2: Thriller (German Edition)
sich im dämmrigen Halbschatten der Kirche tummelten. Allein beim Gedanken daran, ihm bald wieder von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen, sorgte dafür, dass Claires Herz einen ordentlichen Zahn zulegte. Und während ihre Anspannung immer weiter wuchs, prüfte sie konzentriert jede der Fratzen, die ihr in diesem Augenblick entgegenblickten. Sie besah ihre entstellten Gesichtszüge und untersuchte sie allesamt nach Ähnlichkeiten mit George.
Doch es dauerte nicht lange, bis Claire merkte, dass dieses Vorhaben vergebens war.
Denn dafür war das Getümmel im Inneren der Kirche einfach zu groß. Die brodelnde Menge formierte sich immer wieder neu. Jene, die weiter hinten standen, stürmten vor, um einen kurzen Blick auf sie zu werfen und verdrängten wiederum andere, die sich bereits an ihr gelabt hatten.
So, dachte Claire, konnte es mehr als eine Stunde dauern, bis sie wirklich jede einzelne der Bestien gesehen hatte. Eine Stunde, die sie schlichtweg nicht hatte. Denn wenn ihre innere Uhr stimmte, würde die Sonne in weniger als fünf Stunden untergehen.
Und bis dahin, dachte Claire , musste sie dafür sorgen, dass kein einziges von den Monstern in der Kirche mehr am Leben war.
Leben...von wegen...
Einen Augenblick lang überlegte sie, was sie noch tun konnte. Sie stand an der Schwelle, hinter der ein dünner Lichtstrahl die Welt der Lebenden von jener der Toten trennte.
Doch es waren eigentlich keine echten Toten, dachte Claire. Vielmehr waren es einstmals leere Hüllen, die bis zum Überlaufen mit der Gier nach Blut gefüllt worden waren. George hatte dahingehend ganze Arbeit geleistet, daran bestand überhaupt kein Zweifel. Denn Claire konnte spüren, dass diese Gier die einzige Emotion war, die von all den Bestien ausging: Keine Liebe, kein Mitleid und auch keine Hoffnung – sondern nur grenzenlose und alles verzehrende Gier nach Blut.
Doch auch dieses Wissen änderte nichts daran, dass es für Claire ausgesprochen schwierig sein würde, George inmitten des Getümmels zu erkennen. Vielleicht, dachte sie, versteckte er sich auch in einem der hinteren Winkel der Kirche – dort, wo sie ihn unmöglich sehen konnte.
Diese Erkenntnis führte sofort zur nächsten und Claire wusste mit einem Mal, was sie zu tun hatte. Sie musste sich in der Kirche umsehen, wenn sie auf Nummer sicher gehen wollte.
Ihr Verstand sträubte sich und schreckte vor diesem Gedanken zurück. Doch Claire wusste, dass es nichts half. Sie musste es tun, wenn sie George finden wollte.
Ohne weiter darüber nachzudenken, tat sie den ersten Schritt. Und genau in jenem Augenblick, als sie die Schwelle zwischen Licht und Schatten überquerte, hoffte sie, dass das Kreuz um ihren Hals sie nicht im Stich lassen würde.
Denn wenn das passierte, dachte Claire, dann...
... würden sich die Monster in der Kirche auf sie stürzen und sie in Stücke reißen, noch bevor ihr Körper auf dem Boden aufschlug!
38.
Teddy traute seinen eigenen Augen nicht:
Die Frau verschwand in den Schatten. Die Dunkelheit verschlang ihren Körper und von einer Sekunde auf die andere war sie ein Teil der brodelnden Menge.
Das ist ihr Todesurteil, dachte Teddy und setzte sich in Bewegung. Er rannte zu Andy, so schnell es ihm seine Schmerzen erlaubten. Der Junge blickte mit weit aufgerissenen Augen zu ihm auf. Blanker Schrecken spiegelte sich darin wider.
„Ich...ich...ich habe es nicht geschafft, sie aufzuhalten“, stotterte Andy und Tränen stiegen ihm in die Augen.
„Schon gut, Junge“, sagte Teddy und tätschelte ihm die Schulter, „du kannst nichts dafür. Es ist nicht deine Schuld, mein Sohn.“
Insgeheim wusste jedoch Teddy nicht, ob seine Worte der Wahrheit entsprachen. Denn die Maßstäbe, mit denen er sein Leben für gewöhnlich beurteilte, fanden in Plain Rock keinerlei Anwendung mehr. Der Wahnsinn war ausgebrochen, dachte Teddy, und es war schwierig, ihm mit den normalen Mitteln beizukommen.
Sehr schwierig sogar...
Schließlich wandte er sich um und blickte durch das Portal ins Innere der Kirche. Sein gesamter Körper verkrampfte sich und er hielt instinktiv die Luft an. In diesem Augenblick kam es Teddy beinahe so vor, als versuchte sich sein Unterbewusstsein gegen den Anblick zu wappnen, der ihm unmittelbar bevorstand.
Denn auch wenn er nicht genau wusste, was gerade in der Kirche vor sich ging, so ahnte er dennoch, dass es schrecklich sein musste.
Die Frau war entweder schon tot, dachte er, oder sie lag bereits im Sterben. So viel
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