Fleisch und Blut 2: Thriller (German Edition)
Dallas mit der Geschwindigkeit X, während ihm ein anderer zur gleichen Zeit mit der Geschwindigkeit Y aus Houston entgegenfährt. So etwas in der Art. Mister Brinkman versuchte uns ein paar neue Tricks beizubringen, doch ich glaube, dass auch er wusste, dass es an diesem Tag vollkommen aussichtslos war.
Wir waren al le einfach nicht bei der Sache. Zudem wurde sein Vorhaben vor allem dadurch erschwert, dass die meisten von uns nicht der gleichen Schulstufe angehörten. Die älteren Schüler langweilten sich, während die jüngeren keinen blassen Schimmer davon hatten, wovon Brinkman überhaupt sprach.
Das war wahrscheinlich auch der Hauptgrund dafür, dass wir bereits nach zwei Stunden mit Mathe Schluss machten.
Danach gingen wir raus auf den Schulhof und spielten Basketball.
Da wir aber nur zu fünft waren, musste Mister Brinkman in einem der Teams mitspielen. Er tat zwar, was er konnte, doch man merkte sehr schnell, dass ihm Hitze und Anstrengung sehr zusetzten. Das und die Zigaretten, Miss Hagen. Denn jede halbe Stunde verschwand er mit irgendeinem Vorwand hinter dem neuen Anbau der Schule. Und als er dann wieder zurückkam, stank er immer wie ein halbvoller Aschenbecher. Und ich kann Ihnen sagen, dass die vielen Kippen nicht unbedingt dafür sorgten, dass seine Kondition besser wurde:
Denn n ach knapp zwei Stunden war sein Kopf vollkommen rot und sein Hemd klebte schweißnass an seinem Körper. Und das war dann auch der Grund dafür, dass die Schule an diesem Tag etwas früher aus war. Oder besser gesagt: fast fünf Stunden früher.
Anschließend lud uns Mister Brinkman alle in seinen Jeep und fuhr uns heim. Er setzte ein Kind nach dem anderen ab und überzeugte sich davon, dass sie nicht alleine zuhause waren. Wie gesagt, Miss Hagen, er war nun mal ein verdammt netter Kerl.
Ich war an diesem Tag der Letzte, den Brinkman nach Hause brachte. Kurz bevor wir ausstiegen, erkundigte er sich nach Jerry Springer, der seit einiger Zeit mein bester Freund war. Ich sagte ihm, dass ich nicht wusste, was mit Jerry war, ich aber annahm, dass ihn auch die Grippe erwischt hatte.
‚So wird’s wohl sein, Andy ‘, hatte Brinkman gesagt.
Anschließend hatte er angedeutet, dass es wohl nicht verkehrt wäre, wenn ich mit den Textaufgaben, die wir an diesem Tag gemacht hatten, bei Jerry vorbeischauen würde. Er habe in den 30 Jahren seiner Laufbahn zwar noch nie einen Schüler durchfallen lassen, sagte Brinkman, doch bei Jerry würde er eine Ausnahme machen müssen, falls sich seine Zensuren nicht bis zum Ende des Jahres verbesserten.
‚ Hilf ihm auf die Sprünge, wenn dir was an ihm liegt, Andy‘, hat er gesagt. Dann hatte er mich bis zur Haustür gebracht, ein paar Worte mit meiner Mutter gewechselt und war dann davongefahren.
Seitdem habe ich ihn nicht mehr gesehen und ich glaube nicht, dass er das Glück hatte, noch am gleichen Tag eine Reise nach Europa zu gewinnen oder so etwas in der Art. Ich glaube, dass es ihn auch erwischt hat. So, wie alle anderen in der Stadt.
Jedenfalls habe ich an diesem Tag keine Trübsal geblasen. Es war ein schöner Tag und ich dankte sprichwörtlich Gott dafür, dass die Schule ausgefallen war.
Ich hatte mir so viel vorgenommen, Miss Hagen. Gleich nach dem Mittagessen bin ich in mein Zimmer gestürzt, um mein Luftgewehr zu holen und damit im Garten meine Schießübungen zu machen. Mom mochte das Gewehr zwar nicht, erlaubte mir dennoch, hin und wieder damit zu schießen. Sie hob dafür sogar extra alte Lebensmittelkonserven auf – weil diese mit Abstand die besten Ziele abgaben. Sie fielen nicht um, wenn sie getroffen wurden, müssen Sie wissen.
Doch trotz der Vorfreude kam ich an diesem Tag nicht zum Schießen. Zumindest nicht sofort. Denn kaum hatte ich das Gewehr unter meinem Bett hervorgekramt, erinnerte ich mich auch schon an die Worte, mit denen sich Mister Brinkman von mir verabschiedet hatte:
‚Hilf ihm auf die Sprünge, wenn dir was an ihm liegt, Andy.‘
Und natürlich musste ich dabei gleich an Jerry denken. Jerry, der wahrscheinlich daheim rumlag, Fieber hatte und dem es hundeelend ging. Jerry, meinen besten Freund, der zwar die dreckigsten Witze diesseits des Mississippi kannte, aber in Algebra so eine Niete war, dass er wahrscheinlich das komplette Schuljahr wiederholen müsste.
Und was das bedeuten würde, wusste ich nur zu gut:
Zunächst einmal würde es für Jerry einen Satz heiße Ohren geben und vielleicht sogar ein blaues Auge. Sein Vater war bei solchen
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