Fleisch und Blut 2: Thriller (German Edition)
Dinge so waren, wie sie nun mal waren:
V erdammt eigenartig.
Dennoch reichte das für mic h nicht aus, um auf dem Absatz kehrtzumachen und von dort zu verschwinden. Also stieg ich die wenigen Stufen zur Veranda empor. Der Gestank, der aus den Müllsäcken aufstieg, schnürte mir sofort die Kehle zu und zwang mich, durch den Mund zu atmen. Doch auch davon ließ ich mich nicht unterkriegen. Ich öffnete die Fliegentür, klopfte ein paarmal und wartete schließlich darauf, dass jemand aufmachte.
Die Zeit verging, doch nichts geschah.
Niemand öffnete und auch ansonsten drang kein einziges Geräusch aus dem Inneren des Hauses. Vielleicht, dachte ich, musste ich fester klopfen, damit man mich hörte. Das tat ich dann auch sofort. Denn ganz egal, ob jemand aufmachte oder nicht, ich wollte schleunigst weg von dieser verdammten Veranda, auf der es nach saurer Milch und Erbrochenem stank. Meine guten Vorsätze, Jerry zu helfen, schwanden mit jeder Sekunde, die ich inmitten dieses fürchterlichen Gestankes ausharren musste.
Und als auch nach dem zweiten Klopfen nichts geschah, entschloss ich mich dazu, die Unterlagen für Jerry einfach dort zu lassen und zu verschwinden. Immerhin, dachte ich, hatte ich mein Bestes getan und daher gab es für mich keinen Grund mehr, weiter gegen meine Übelkeit anzukämpfen.
Daher legte ich die Unterlagen an das andere Ende der Veranda – dorthin, wo diese noch einigermaßen sauber war- und beschwerte sie mit einem leeren Blumentopf, den ich unter dem Vordach gefunden hatte.
Vielleicht war die ganze Familie wegen der Grippe zum Arzt gefahren, dachte ich. Und vielleicht war auch das der Grund dafür, dass niemand aufmachte. Dass beide Wagen in der Auffahrt standen, hatte ich in diesem Augenblick vollkommen vergessen. Doch so genau dachte ich auch gar nicht darüber nach. Vielmehr wollte ich nur noch schleunigst weg von dort. Immerhin, überlegte ich, konnte ich Jerry in ein paar Stunden anrufen und ihm mitteilen, dass ich die Mathe-Unterlagen vorbeigebracht hatte. Ich ahnte, dass er darüber nicht gerade erfreut sein würde. Dennoch hatte ich meine Schuldigkeit getan und somit mein Gewissen ein bisschen erleichtert.
Nachdem das erledigt war, trat ich endlich den Rückweg an. Der Nachmittag war noch jung und ich ahnte, dass ich vielleicht doch noch zu meinen Übungen mit dem Luftgewehr kommen würde. Die Vorfreude darauf beschleunigte meinen Schritt und verbannte die Sorgen um Jerry sofort aus meinen Gedanken.
Ich wollte gerade die Veranda verlassen, als ich in den Augenwinkeln eine Bewegung wahrnahm. Sofort drehte ich mich um und blickte zum Wohnzimmerfenster, das auf die Veranda zeigte. Die schweren Vorhänge waren zwar noch immer zugezogen, doch ich konnte erkennen, dass sie sich ein bisschen bewegten.
Kaum merklich, aber doch.
‚Jerry, bist du das?‘“, rief ich, ohne den Bl ick von den Vorhängen zu nehmen, die noch immer leicht zitterten.
Ich wartete einige Augenblicke, doch ich bekam keine Antwort. Zumindest keine, mit der ich etwas hätte anfangen können. Stattdessen hörte ich nur ein spitzes Kichern, das gedämpft durch die Tür klang. Es war ein hoher Laut, der mir durch Mark und Bein ging - fast so wie der Pfiff eines Falken. Ich bekam eine Gänsehaut am ganzen Körper und wich instinktiv einen Schritt zurück.
Im gleichen Augenblick verebbte das Geräusch und es war wieder totenstill auf der Veranda.
‚Jerry?‘, rief ich ein weiteres Mal.
Doch es war nichts mehr zu hören und nach einigen weiteren Augenblicken der Anspann ung trat ich den Heimweg an. Der Schreck über das Kichern war noch nicht verflogen und deswegen ließ ich die Tür für keine Sekunde aus den Augen, während ich das Weite suchte.
Da lief ich also, Miss Hagen, bei helllichtem Sonnenschein und machte mir wegen des Kicherns beinahe in die Hosen. Eines Kicherns, das ich mir vielleicht ebenso gut eingebildet haben könnte. Doch zum Glück sank meine Anspannung mit jedem Schritt, mit dem ich mich von Jerrys Haus entfernte. Als ich die nächste Kreuzung erreichte, waren sämtliche Ängste und Sorgen bereits verflogen und ich freute mich nur noch darauf, heim zu kommen und den ganzen Nachmittag auf die Konserven zu schießen.
Und genau da s war es, was ich dann auch tat:
Ich ließ mich im Garten nieder und durchsiebte eine Konserve nach der anderen. Mein e Mutter brachte mir zwischendurch Limonade und Sandwiches, wechselte ein paar Worte mit mir und ließ mich dann wieder allein.
Es war ein
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