Fleisch und Blut: Thriller (German Edition)
oder von George.
Doch das war in diesem Augenblick egal, dachte Claire . Sie ließ sich nicht beirren. Sie musste wissen, was dort unten vor sich ging.
Sie sprang auf, lief zum Tisch und schnappte sich eine der beiden Taschenlampen, die George in Rockwell gekauft hatte. Zurück an der Luke angekommen, schaltete sie die Taschenlampe ein.
Blitzartig wich die Dunkelheit des Kellers dem gleißend hellen Schein der Taschenlampe und offenbarte Claire einen Anblick, den sie nicht erwartet hatte.
83 .
Amanda lag bäuchlings auf dem Kellerboden. Ihre Arme und Beine waren nach hinten gedreht und mehrmals mit der Kette umschlungen. Ein dicker Knoten sorgte dafür, dass sie sich nicht rühren konnte. Sie zerrte zwar an ihren Fesseln und vers uchte sich zu befreien, doch Claire merkte sofort , dass die Lage aussichtslos war. D er Knoten um ihre Glieder saß fest – sie hatte keine Chance.
George hatte es geschafft.
Irgendwie war es ihm gelungen, sie zu bändigen und so zu vertauen, dass sie zumindest vorläufig keine Gefahr mehr darstellte.
Er hatte sich über sie gebeugt und hielt sie mit beiden Händen am Nacken fest . Die Kraft, mit er das tat, drückte das Antlitz der Kreatur in den staubigen Boden, der nichts weiter war, als festgetretene Walderde. Sie knurrte, s chrie und fluchte – doch George zeigte kein Mitleid.
„ Ich glaube, ich habe sie unter Kontrolle“, sagte George und blickte zu Claire hoch. Ein Lächeln zierte seine Lippen. Trotzdem kam Claire nicht umhin zu bemerken, dass seine Augen rötlich glühten. Sie wusste, dass er kurz davor war, sich zu verwandeln.
„ Und was jetzt?“, fragte Claire. Kaum waren ihre Worte verklungen, fürchtete sie sich auch schon vor der Antwort, die George ihr vielleicht darauf geben würde.
Was wenn er entschied, dass es das einzig Richtige war, Amanda an Ort und Stelle zu töten ? Ihr den Hals umzudrehen, wie einem Suppenhuhn – und zu hoffen, dass das ausreichte, um sie von ihren Leid zu erlösen.
Nein, nein, nein...bitte nicht!
Obwohl ihr diese Möglichkeit durchaus realistisch erschien, hoffte Claire, dass es nicht so weit kommen würde.
George blickte sie immer noch an . Das Lächeln war inzwischen von seinem Gesicht verschwunden und auch seine Augen sahen wieder normal aus.
„ Sie ist noch nicht ganz verwandelt“, sagte er, „ich spüre noch immer einen Herzschlag. Er ist zwar schwach , aber ich denke wir haben noc h immer den Funken einer Chance .“
„ Wie meinst du das? “, fragte Claire. Ihr Herzschlag beschleunigte und ihr e Hände verkrampften sich um die Taschenlampe.
„Es ist noch nicht zu spät“, sagte George.
„ Wofür ?“
„Um sie zu retten . Ich kann es noch immer schaffen! “
Ich kann es noch immer schaffen!
Die Anspannung wich aus Claires Gliedern und mit ihr auch sämtliche Kraft . Ein Seufzen en tfuhr ihr. Es war ein zischender Laut, der nahtlos in ein Lachen überging. Doch es war kein schönes Lachen . Vielmehr ein fremder Laut, der ihr Angst machte. Es war ein nervöser, hoher Klang, der beinahe in ein Schluchzen überging.
In diesem Augenblick hatte Claire Angst davor , dass der Schrecken der vergangenen Tage zu viel für ihre Nerven gewesen war. Vielleicht, dachte sie, war sie gerade im Begriff den Verstand zu verlieren und einfach durchzubrennen, wie eine kaputte Glühbirne. Allein bei dem Gedanken daran krampfte sich ihr Herz zusammen und ein eisiger Schauder jagte durch ihre Glieder.
„Claire?“, fragte George, „alles in Ordnung mit dir?“
Seine Stimme holte sie wieder zurück in die Realität . Ihr Lachen versiegte schlagartig. Sie blickte hinunter in den Keller, wo Amanda immer noch gefesselt auf dem Boden lag.
„Ja“, sagte Claire mit schwacher Stimme , „ja, es ist alles in Ordnung.
„ Ich schlage vor, ich versuchen es einfach“, sagte George, „was hältst du davon? Ich meine, was haben wir schon zu verlieren, oder?“
Claire hatte keine Ahnung, was er damit meinte.
„ Was versuchen?“
Doch George antworte ihr nicht. Stattdessen wandte er sich ab und krempelte den rechten Ärmel seines Parkas bis zum Ellenbogen hoch. Im grellen Schein der Taschenlampe sah die Haut an seinem Unterarm blass und leblos aus.
„George“, sagte Claire, „ was willst du versuchen?“
Claires Stimme zitterte. Ebenso ihr gesamter Körper.
„ Was hast du vor , verdammt?“
George wandte sich ein letztes Mal um.
„Ich werde versuchen, sie zu retten.“
Tausend Fragen schossen
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