Fleisch und Blut: Thriller (German Edition)
wandte er sich zur Leiter und begann den Aufstieg aus dem Keller. Claire hingegen saß immer noch neben der Luke und blickte zu Amanda hinab.
„Hat es geklappt?“, fragte sie und blickte zu George.
Er maß sie mit einem müden Blick und es kam ihr in diesem Augenblick so vo r, als hätte ihn diese Prozedur unbeschreiblich viel Kraft gekostet. Z um ersten Mal , seit sie sich kannten , sah er erschöpft und niedergeschlagen aus.
Doch Claire konnte darauf keine Rücksicht nehmen. Sie musste erfahren , was mit Amanda los war.
„George“, fragte sie, „hat es geklappt? Wird sie wieder gesund?“
„Sie h doch selbst“, sagte George .
Claire wand te sich zu Amanda und wurde in diesem Augenblick erneut Zeugin von etwas Unglaublichem. Der Anblick verschlug ihr den Atem. Trotzdem konnte sie nicht anders – sie musste hinsehen .
Mit jeder Sekunde, die verstrich, konnte sie spüren, wie sie immer schwächer wurde . Sämtliche Kraft verließ ihren Körper. Der Anblick, der sich ihr bot, war faszinie rend und erschreckend zugleich.
Die Taschenlampe glitt ihr aus den Händen. Sie fiel hinunter in den Keller, überschlug sich und blieb dann so liegen, dass Amanda inmitten des Lichtkegels lag .
Das grelle Licht sorgte dafür, dass der Vorgang, der sich mit Amanda abspielte, nahezu ins Unermessliche verstärkt wurde.
Amandas Verletzungen heilten:
Stück für Stück rollten sich die Hautfetzen wieder auf und verschmolzen mit dem übrigen Gewebe. Die Verbrennungen in Amandas Gesicht verblassten allmählich, platzten auf und lösten sich von Stirn und Wangen. Schließlich fielen sie a b, wie feiner Sand und zerstoben in der Luft.
Was darunter zum Vorschein kam, war Haut. Sie war zwar ein bisschen gerötet, aber ansonsten fehlte ihr nichts. Kein Kratzer war zu erkennen, keine einzige Narbe war zurückgeblieben.
Sie war heil und unversehrt.
Doch damit war der Vorgang noch nicht beendet. Immer mehr Verletzungen verschwanden. Die Wunden heilten und wuchsen zu. Haut spannte sich wie von Geisterhand über all jene Stellen, die noch kurz davor nichts weiter gewesen waren, als offene Wunden .
Das geblendete Auge erwachte wieder zum Leben. Es zwinkerte unentwegt und erinnerte Claire an einen Schmetterling, der sich gerade aus seinem Kokon geschält hatte. Und insgeheim wusste sie, dass dieser Vergleich gar nicht so falsch war. Denn in diesem Augenblick wurde sie Zeugin einer unglaublichen Verwandlung – einer übernatürlichen Metamorphose.
Zum Schluss, kurz bevor die Heilung endete, wuchs Amanda eine neue Nase. Das Gewebe pulsierte, wuchs immer weiter – zuerst Knochen, dann Knorpel un d schließlich Fleisch und Haut.
Als das Schauspiel zu Ende war, sah Amanda aus, als hätte der Wahnsinn der vergangenen Tage nie stattgefunden.
Doch das stimmte nicht ganz und Claire wusste das. Denn so schnell die Heilung auch vorangeschritten war, so hatte sie dennoch nicht alle Makel beseitigt. Denn Amandas Haar war noch immer völlig verbrannt und man konnte ihre Kopfhaut sehen. Mit all den unterschiedlich langen Strä hnen und all den kahlen Stellen sah sie aus, wie ein gerupftes Huhn.
In diesem Augenblick war das Claire völlig egal. Immerhin war das nur ein optischer Makel, der leicht zu beheben sein würde, dachte sie.
Haare wachsen nach...
Ein unbeschreibliches Glücksgefühl strömte durch Claires Körper und spülte in Windeseile alle anderen Emotionen fort.
Es hat geklappt! Oh mein Gott, es hat tatsächlich geklappt!
Tränen stiegen ihr in die Augen und Claire zw ang sich nicht dazu, sie zurückzu halten. Es war ein stetiger Fluss, der über ihre Wangen kullerte.
Sie wand sich um, blickte zu George empor, der immer noch neben ihr stand und lächelte ihn an.
„Es hat geklappt“, presste sie zwischen den Lippen hervor.
In diesem Augenblick war das der einzige Gedanke, der durch ihren Verstand rauschte.
George erwiderte das Lächeln.
„Ja, Claire“, sagte er, „es hat ge ...“
N och bevor George den Satz beenden konnte, explodierte sein halber Kopf.
86.
Der Knall war ohrenbetäubend. Claire zuckte zusammen und pr esste sich instinktiv gegen die Wand neben dem Kamin.
Währenddessen segelte Georges lebloser Körper w ie in Z eitlupe durch die Luft und kam schließlich polternd auf dem Dielenboden zu liegen.
Trotz ihres Schocks erkannte Claire sofort das Ausmaß seiner Verletzung: Die l inke Seite seines Kopfes war ein regelrechter Krater, in dessen Mitte Haarklumpen, Schädelknochen und Gehirnmasse zu
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