Fleisch und Blut: Thriller (German Edition)
Claire, „ist bestimmt nur vorübergehend.“
„Natürlich ist das nur vorübergehend . Ich bin die längste Zeit hier gewesen. Sobald die Sonne untergeht, bin ich weg. Das kannst du mir glauben.“
Noch ehe die Worte verklungen waren, spürte Claire, wie leich t gläubig sie im Bezug auf Amandas Zustand gewesen war.
Sobald die Sonne untergeht, bin ich hier weg!
Bevor sie den Raum betreten hatte, hatte sie darauf vertraut, dass sich Amandas Zustand schnell bessern würde. Sie hatte gehofft, dass die Symptome mit der Zeit abklingen würden, wie bei einer leichten Erkältung. Stattdessen spürte sie inzwischen , dass das ein Trugschluss gewesen war. Amanda schien immer weiter in ihre Fantasie abzugleiten und sich in ihren Wahnvorstellungen zu verirren. Diese Erkenntnis versetzte Claires Herzen einen glühenden Stich.
„Ach was, Schatz“, sagte Claire, „du bleibst einfach schön hier, bis es dir wieder besser geht.“
Dann zwang sie sich zu einem Lächeln und durchquerte den Raum. Amanda zeigte keinerlei Regung auf das Gesagte. Vielmehr saß sie nur da und ließ Claire für keine Sekunde aus den Augen.
„ Dir wird es bestimmt bald besse r gehen“. fuhr Claire fort, „Doktor Ha rris ist sehr zuversichtlich. E r tut wirklich a lles, was nötig ist, um dir zu helfen.“
Amanda zeigte noch immer keine Regung. Sie saß nur auf der Bettkante und lauschte Claires Worten. Claire schloss daraus, dass sie sich etwas beruhigt hatte. Sie beugte sich zu ihr hinab und strich ihr dabei mit der Hand über die Schulter. Der Leinstoff der Zwangsjacke fühlte sich grob an und kribbelte unter ihren Fingerkuppen.
„Und wenn das alles vorbei ist, dann machen wir beide einen schönen Urlaub . I rgendwo, wo die Drinks billig und die Männer knackig sind, Liebling. Versprochen.“
Amanda starrte Claire immer noch an, a ls würde sie durch sie hindurch sehen. Sie zeigte keine Regung , die Claire verraten hätte, dass sie überhaupt ein Wort von dem verstand, wa s sie zu ihr sagte. Es schien ihr, als hätte sich Amanda plötzlich in sich zurückgezogen, wie eine Schnecke in ihr Haus. Doch Claire ließ sich davon nicht beirren.
Sie beugte sich noch ein Stückchen zu ihrer Schwester hinab und fuhr ihr mit den Fingern durch die Haar strähnen an der Schläfe. Sie hoffte , dass Amanda zumindest auf diese Liebkosung reagieren würde, wenn sie schon keine Reaktion mehr auf ihre Worte zeigte.
Amanda zeigte durchaus eine Reaktion. Erst neigte sie den Kopf in die Richtung von Claires Hand. Dann erstarrte sie für einen Augenblick. Ihr ganzer Körper verkrampfte sich. Die Sehnen an ihrem Hals schwollen an und traten hervor . Sie riss die Augen auf und bleckte ihre Zähne. E in Knurren entfuhr ihrer Kehle. Gleich danach folgte ein Fauchen.
Claire war völlig überrumpelt. Noch ehe sie wusste, was vor sich ging, stieg ihr der Geruch verbrannter Haare in die Nase. Die Fingerkuppen, mit denen die Amanda berührt hatte, wurden glühen d heiß. Sie zog die Hand zurück, als hätte sie versehentlich auf eine heiße Herdplatte gegriffen. Im gleichen Augenblick sprang Amanda hoch. Sie zog sich auf das Bett zurück und warf sich mit voller Wucht gegen die Wand.
„Wills t du mich etwa umbringen , du Hure ?“, knurrte sie, „dein eigen Fleisch und Blut ? Ist es das , was du willst? “
Ihre Worte hallten wie Querschläger von den Wänden. Obwohl Claire sie klar und deutlich verstehen konnte, so erkannte sie Amandas Stimme nicht wi e der. Es war ein gutturaler Laut, wie das Knurren eines großen Hundes.
Eines Raubtieres!
Instinktiv wich Claire zurück.
Dann blickte sie wieder zu Amanda und für einen Augenblick zweife lte sie an ihren eigenen Sinnen.
Oh mein Gott, das kann nicht sein!
Amanda stand nicht mehr auf dem Bett , sie schwebte. Schwerelos hing sie an der Wand, wie ein Insekt.
Bevor Claire den Anblick verarbeiten konnte , fiel ihr Blick auf Amandas Gesicht. Oder auf das , was einst ihr Gesicht gewesen war. Es war nur noch eine Fratze, die keine Ähnlichkeit mit de m Ges icht ihrer Schwester hatte. Alle Schönheit war daraus gewichen. Ebenso die gesamte Menschlichkeit . Was geblieben war, war der Ausdruck puren Hasses und unbändigen Zorns. Es war das Ant litz einer aufgebrachten Bestie.
Das Weiße in Amandas Augen hatte sich rot verfärb t und ihr Mund war weit aufgerissen. Claires Verstand bekam ein weiteres Mal Schlagseite, als ihr Blick auf Amandas Zähne fiel. Es waren die Zähne eines Raubtiers. Die Eckzähne waren spitz
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