Fleisch und Blut: Thriller (German Edition)
presste sich an die Hausfassade und tastete mit ihrer rechten Hand nach dem Hebel, mit dem die Leiter herausgefahren werden konnte. Mit der anderen hielt sie ihre Handtasche fest, die ihr immer noch von der Schulter baumelte. Irgendeine Stimme tief in ihrem Inneren sagte ihr, dass sie aufpassen musste, sie nicht zu verlieren. Obwohl Claire diese Stimme weder zuordnen konnte, noch wusste, woher sie kam, hielt sie sich an ihre Vorgabe.
Stück für Stück arbeitete sie vor , auf der Suche nach dem Hebel . Gerade als die Fingerspitzen ihrer rechten Hand ihn berührten, schloss sich wieder ein Arm um ihre Brust.
„Keine Angst“, sagte eine Stimme, die Claire bekannt vorkam.
Was danach folgte, fühlte sich an, als würde sie aus einer Kanone geschossen. Claire empfand das Gefühl befreiend und aufregend zugleich.
Dann verlor sie das Bewusstsein.
32.
Für einen Augenblick blieb Bishop reglos liegen und wartete auf weitere Schüsse. Als keine erklangen, richtete er sich auf und blickte zur Seite. Ein vertrautes Augenpaar blickte ihn an, mit einem Ausdruck blanken Entsetzens. Es war Morales . Er lag auf der Seite , direkt neben Bishop , und starrte ihn an . Durch das Licht der Straßenlaternen, das durch das zertrümmerte Fenster in den Raum drang , konnte Bishop auch ohne Nachtsichtgerät jede Einzelheit erkennen:
Auf der Stirn von Morales war ein Krater v on der Größe eines Silberdollars , durch den man direkt in das Innere seines Schädel s blicken konnte. Dahinter war sein gesamtes Gehirn auf Teppich und Möbeln verteilt. Kleine Haarbüschel klebten vereinzelt an der Wand und erinnerten an eine exotische Art von Moos.
Morales Puppillen waren riesig, so als wollte sie den diesen letzten Anblick aufsaugen, um ihn für die Ewigkeit zu bewahren.
Bishop hatte genug gesehen. Er wandte sich ab und blickte wieder in die Richtung des Schlafzimmers. Es war leer.
„Was ist da oben los, verda mmt noch mal“, bellte Whitmans S timme aus dem Walkie-Talkie.
Doch Bishop nahm sie nur am Rande seines Bewusstseins wahr. Anstatt zu antworten , fuhr er mit der flachen Hand an die Stelle, an der ihn das erste Projektil getroffen hatte. T rotz der Handschuhe konnte er spüren, wie ihm Blut durch die Finger lief, immer und immer wieder, im Takt seines eigenen Herzschlags. Als er die Stelle etwas genauer befühlte, merkte er, dass ihm das halbe linke Ohr fehlte. Die losen Ränder waren völlig zerfranst und fühlten sich an, als wären sie von einem Hund abgerissen worden. Fleischfetzen glitten schmatzen d durch seine behandschuhten Finger .
Doch das war nicht alles. Seine gesamte Kopfhaut war aufgerissen – von der Schläfe bis zum Hinterkopf. Wenn es so e twas wie Glück gab, dachte Bishop , dann hatte er seinen Lebensvorrat genau in diesem Augenblick aufgebraucht. Oder zumindest einen verdammt großen Teil davon.
Das Projektil hatte ihn in einem günstigen Winkel getroffen und war am Schädelknochen entlang gewandert, ohne ihn zu durchschlagen.
Es war das anschwellende Geräusch von Polizeisirenen, das Bishop aus seinen Gedanken riss und zurück in die Realität holte . Er sah auf und erkannte , dass Jones gerad e das Schlafzimmer inspizierte. Der schwache Schimmer des Nachtsichtgerätes zauberte gespenstische grüne Konturen auf sein Gesicht.
„Die Bestie ist weg . Durchs Fenster getürmt, wie es aussieht “, sagte Jones.
„Und die Frau?“, fragte Bishop und versuchte sich aufzurichten .
„Die ist auch weg.“
Jones kam auf ihn zu, packte ihn am Kragen und half ihm auf die Beine. Die Polizeisirenen wurden immer lauter.
„Wir müssen hier weg, Boss“, sagte Jones.
„Los, Abzug“, sagte Whitman.
„Und was ist mit Morales?“
Bishop warf noch einen letzten Blick a uf den Leichnam zu seinen Füßen, der einst einer seiner besten Männer gewesen war. Und vielleicht auch so etwas, wie ein Freund.
Dann wandte er sich ab .
„Lass die Toten ihre Toten begrabe n“, sagte er und stürzte hinaus aus der Wohnung.
Jones folgte ihm.
33.
Dunkelheit.
Claires Verstand versank in Dunkelheit. Die Schwärze der Ohnmacht hatte sich über ihren Verstand gelegt, wie ein Grabtuch.
Ge danken flackerten darin auf, ohne Sinn und Zusamm enhang, wie Glühwürmchen in einer lauen Sommernacht. Bilder kreisten durch ihren Verstand, wie in einem Karussell. Viel zu schnell, um sie zu erkennen. Kaum mehr als Farbkleckse, ohne jegliche Konturen.
Doch auch das ging vorbei.
Als sie die Augen öffnete, stand sie mitten in
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