Fleisch und Blut: Thriller (German Edition)
überfallen hatte.
Das erste, was Claire auffiel , war, dass sie Mühe damit hatte, sein Alter zu schätzen. Auf den ersten Blick sah er aus, wie Mitte dreißig . Doch wenn sie genauer hinsah, merkte sie, dass das unmöglich stimmen konnte. Seine Haut war zu glatt und die Augen zu lebendig. Trotz des Dreitagebartes, konnte sie sehen, dass er kaum Falten hatte. Weder um den Mund, noch auf der Stirn. Keine Krähenfü ßchen. Dichtes Haar. Perfekte Zähne. Sie wurde einfach nicht schlau aus dem, was sie sah. Sein Gesicht kam ihr vor, wie eine optische Täuschung – ein Anblick, der Augen und Verstand gleichermaßen verwirrt e .
„Was wollen Sie wissen ? “, fragte George , ohne den Blick von seiner Tasse zu nehmen. Vielmehr starrte er in die aufsteigenden Dampfschwaden, so als versuchte er eine versteckte Botschaft darin zu erkennen, die nur ihm zugänglich war.
Claire zögerte einen Augenblick und versuchte ihre Gedanken zu ordnen. Als sie merkte, dass es ihr nicht gelang, fing sie mit der erstbesten Frage an, die ihr auf der Zunge lag:
„Wer sind Sie?“
„ George Powell.“
„Ich bin nicht zu Scherzen aufgelegt, Mister Powell.“
„Ich auch nicht – das können Sie mir glauben.“
„Nun ... “, sagte Claire und hielt einen Augenblick lang inne, „ ... was sind Sie?“
George seufzte, dann verschränkte er die Arme vor der Brust.
„ Ich bin...“, sagte er, „...es ist kompliziert, müssen Sie wissen. “
„Nur zu, Mister Powell. Ich habe Zeit.“
George blickte ihr tief in die Augen, so als versuchte er ihre Gedanken zu ergründen.
„Ich war ein Mensch“, sagte er schließlich, „dann wurde ich zu einem Vampir und jetzt bin ich eine Laune der Natur, wenn Sie so wollen. Ich bin ein e Art Zwischending . In der Zoologie bezeichnet man so etwas als hybride Lebensform und ich denke, dass die wissenschaftliche Definition sehr gut zu dem passt, was ich bin .“
„Dann si nd Sie so etwas wie ein Maultier ? Verstehe ich das richtig?“
Der Sarkasmus in Claires Frage schien ihm keineswegs entgangen zu sein. Ein Grinsen erblühte auf seinem Gesicht und offenbarte ihr einen Blick auf seine makellosen Zähne. Es waren die Zähne eines Menschen, der offensichtlich viel Wert darauf legte, gepflegt auszusehen. Dennoch konnte sich Claire noch sehr gut daran erinnern, wie diese Zähne ausgesehen hatten, nachdem er sich verwandelt hatte.
...wie eine rostige Bärenfalle!
Allein beim Gedanke n daran jagte ei n Schauder durch ihre Glieder und ließ sie frösteln.
„Ja, im Prinzip bin ich so etwas wie ein Maulti er “, fuhr George fort, „der einzige Unterschied besteht jedoch darin, dass ich nicht so zur Welt gekommen bin. Auch i ch wurde als ganz gewöhnlicher Mensch geboren . Die Dinge, die danach passiert sind, haben mich zu dem gemacht, was ich heute bin.“
Claire nahm noch einen Schlu ck von ihrem Kaffee und ließ seine Worte auf sich wirken. Tief in ihren Gedanken konnte sie eine leise Stimme hören, die sie bis dahin noch nicht gekannt hatte. Sie entsprang den Tiefen ihres Unterbewusstseins und stieg nur häppchenweise in ihre Gedanken empor.
Die ganze Welt ist verrückt geworden, Claire! Die ganze verdammte Welt!
Doch trotz dieser Zweifel, versuchte sie sich auf das Gespräch zu konzentrieren. Versuchte zu ergründen, was hinter George s Worten verborgen lag.
„Sie meinen das e r nst ? “, fragte sie schließlich, „dass Sie ein Vampir sind, meine ich.“
„Natürlich“, sagte George , „und ich frage mich, wie lange Sie sich noch dagegen sträuben werden, bevor Sie sich eingestehen, dass es Dinge auf der Welt gibt, von denen Sie bis vor Kurzem keine Ahn ung hatten. Schreckliche Dinge , die über Jahrhunderte hinweg von Menschen, Nationen und Religionen totgeschwiegen wurden.“
Claire war begeistert von der plötzlichen Wendung, die das Gespräch nahm. Insgeheim bereute sie es, dass sie ihr Diktiergerät nicht griffbereit hatte. Die Sensationsmagazine des gesamten Landes hätten sich wahrscheinlich um die Abschrift dieses verrückten Gesprächs gerissen.
„Sie wollen mir also wirklich weis machen, dass Sie ein Vampir sind und dass es noch mehr von Ihrer Sorte gibt?“, fragte sie .
„Das brauche ich Ihnen nicht weiszumachen, meine Liebe. Sie wissen doch, was in Ihrer Wohnung passiert ist. Sie haben alles gesehen! Wie wollen Sie sich das erklären?“
„Keine Ahnung“, sagt Claire, „vielleicht haben Sie nur eine Maske getragen und ein kugelsichere Weste. Und den Rest
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