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Fleisch und Blut

Fleisch und Blut

Titel: Fleisch und Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Esszimmer, vorbei an all der Kunst, und Milo lief am Aufzug vorüber ins Wohnzimmer, wo Melville Abbots Trophäen durch schwere Vorhänge in Dunkel getaucht waren.
    Er sprang die Treppe hoch, und ich folgte ihm.
    Als ich halb oben war, hörte ich das Wimmern.
     
    Abbot saß aufgerichtet im Bett, im Rücken ein großes Kissen aus blauem Samt; seine Glatze reflektierte das Licht eines Kronleuchters an der Decke, seine schlaffen Lippen waren von Speichel überzogen.
    Das Zimmer war riesig, muffig, eine individuelle Vision von Versailles. Teppichboden aus goldfarbenem Plüsch, sorgfältig zurückgebundene Vorhänge mit eingewirkten senffarbenen und purpurroten Bildern, die oben mit einer fransenbehangenen Schabracke versehen waren, willkürlich zusammengestellte Möbelstücke im französischen Stil.
    Das Bett war übergroß und schien Abbot zu verschlucken. Das blaue Kissen in seinem Rücken lehnte an einem Rokoko-Kopfteil aus gebauschter gelber Seide. Jede Menge Satinkissen auf dem Bett, weitere auf dem Teppich. Der Kronleuchter war aus Muranoglas, ein Knäuel gelber Ranken, das von mehrfarbigen Glasvögeln gekrönt wurde. Ein kleiner Picasso hing schief über dem Kamm des Kopfteils neben einer dunklen Landschaft, bei der es sich um einen Corot hätte handeln können. Ein zusammengeklappter Rollstuhl stand in einer Ecke.
    Die zottigen weißen Büschel von Melville Abbots Haar waren vom Schweiß niedergedrückt worden. Die Augen des alten Mannes waren leer und verängstigt, die Wimpern mit grünlichem Schleim verkrustet. Er trug einen Schlafanzug aus kastanienbrauner Seide mit weißer Paspelierung und Handschellen Marke LAPD um seine Handgelenke.
    Zu seiner Linken, keine zwei Meter neben dem Bett, zeichneten rotbraune Kleckse Rorschachmuster auf den goldenen Teppichboden. Der größte Fleck kroch unter Jane Abbots Leiche hervor.
    Sie lag auf der linken Seite, ihr linker Arm nach vorn ausgestreckt, die Beine hochgezogen, das offene aschblonde Haar fächerförmig über ihren Leib gebreitet. Ein silbernes Negligee war hochgerutscht und entblößte immer noch glatte Beine und das Segment einer Pobacke, die sich unter einem schwarzen Slip wölbte. Nackte Füße. Pinkfarbene Zehennägel. Grau werdendes Fleisch, grünstichige und purpurne Andeutungen von Verfärbungen an Fußknöcheln, Handgelenken und Oberschenkeln, wo sich unter der Haut geronnenes Blut sammelte.
    Ihre Augen waren halb offen, von einem dünnen Film überzogen, die Lider geschwollen und bläulich verfärbt. Ihr Mund stand offen, und ihre Zunge war eine graue Nacktschnecke, die sich nach innen zusammenrollte. Ein rubinrot verkrustetes Loch verunstaltete ihre linke Wange; ein zweites punktierte den Haaransatz an ihrer linken Schläfe.
    Milo zeigte auf den Boden neben dem Nachttisch. Eine Pistole, seiner 9 Millimeter nicht unähnlich, lag neben dem Bettbehang. Er zog das Magazin aus seiner Hosentasche und schob es wieder hinein.
    »Als ich hier reinkam, hielt er sie in der Hand.«
    Abbot gab durch nichts zu erkennen, dass er zuhörte oder verstand. Speichel tropfte sein Kinn hinunter, und er murmelte etwas.
    »Was sagen Sie, Sir?«, fragte Milo und trat näher ans Bett heran.
    Abbots Augen rollten zurück, erschienen wieder, konzentrierten sich auf nichts.
    Milo wandte sich mir zu. »Ich komme hier rein, und er richtet das verdammte Ding auf mich. Ich hätte fast auf ihn geschossen, aber als er mich sah, ließ er die Waffe los. Ich hab versucht aus ihm rauszubekommen, was passiert ist, aber alles, was er tut, ist lallen. So wie sie aussieht, ist sie seit mehreren Stunden tot. Ich setze ihn nicht unter Druck, ohne einen Anwalt dabeizuhaben. Für den Fall ist Van Nuys zuständig. Ich hab dort angerufen. Wir sollten ziemlich bald Gesellschaft bekommen.«
    Mel Abbot stöhnte.
    »Noch einen kleinen Moment, Sir.«
    Die Arme des alten Mannes schössen nach vorn. Er schüttelte die Handgelenke, und die Handschellen klirrten. »Tut weh.«
    »Sie sind so locker wie nur möglich, Sir.«
    Die schokoladenbraunen Augen wurden schwarz. »Ich bin Mr. Abbot. Wer zum Teufel sind Sie?«
    »Detective Sturgis.«
    Abbot starrte ihn an. »Sherlock Bones?«
    »So ähnlich, Sir.«
    »Freund und Helfer«, sagte Abbot. »State Trooper hält einen Mann auf dem Highway an - haben Sie den schon gehört?«
    »Wahrscheinlich«, antwortete Milo.
    »Ach«, sagte Abbot. »Es macht keinen Spaß mit Ihnen.«

23
    Milo musterte das Schlafzimmer, während wir warteten. Ich konnte außer der Tragödie

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