Fleisch und Blut
der Tür, und sie öffnen sie vielleicht in der Erwartung von Peperoni.«
»Und wenn der echte Pizzabote auftaucht?«, fragte ich.
»Dann machen wir eine Party - vielen Dank, dass dir Le-Moynes Wagen aufgefallen ist, Alex.«
»Ihn nicht zu bemerken wäre schwierig gewesen; ich war direkt vor seiner Tür.«
»Und da sagt man, in L. A. gab's keine echte Nachbarschaft mehr.«
»Wenn er unter seinem eigenen Namen eingecheckt hat, war LeMoyne nicht gerade vorsichtig«, sagte ich. »Am helllichten Tag zu seinem Haus zu fahren und in einem so nahe gelegenen Hotel Quartier zu nehmen? Das riecht nicht gerade nach einer panischen Flucht.«
»Was wollen sie dann hier? Urlaub in Culver City?«
»Vielleicht eine kleine Verschnaufpause«, sagte ich. »Um Andy Salander Bedenkzeit zu geben, was er mit der Information anfangen soll, die er von Lauren bekommen hat.«
»Oder er war Laurens Partner bei der Erpressung.«
»Es gibt kein Anzeichen dafür, dass sie etwas von ihrem Reichtum abgegeben hat. Sie war diejenige mit der Garderobe und der Kapitalanlage. Salander ist mit seinem Lohn als Barkeeper gerade so hingekommen. Nein, ich glaube, sie hat ihn bei sich aufgenommen, um Gesellschaft zu haben - nicht-sexuelle Gesellschaft -, ganz wie er gesagt hat, und dass er ihr Vertrauter wurde. Vielleicht hat sie ihn nicht mal in die Details eingeweiht, sondern ihm nur so viel erzählt, dass er sich die Sache zusammenreimen konnte, als links und rechts die Leute starben. Die Versöhnung mit LeMoyne hätte zu keinem besseren Zeitpunkt für ihn kommen können - sie erlaubte ihm, die Wohnung zu verlassen und zu LeMoyne zu ziehen. Er erzählte LeMoyne von seinem Verdacht und machte ihm so viel Angst, dass er sich hier einquartierte.«
»Und mich hat er nicht angerufen, weil ...«
»Warum sollte er das tun, Milo? Er entstammt der TV-Generation - wie oft hat er dann das Zeugenschutzprogramm in die Hose gehen sehen? Ganz zu schweigen von all den Szenarien mit Polizeikorruption. Fiktiv oder nicht.«
»Nicht vertrauenswürdig?«, fragte er. »Moi?« Er sah zum Hotel hinüber. »Oder vielleicht überlegen sich die beiden, wie sie das Erpressungsprojekt übernehmen können.« Er sah auf seine Uhr. »Okay, es wird Zeit, dass ich Mario, der Pizza-Mann, werde - warte hier, und wenn du raufkommen darfst, gebe ich dir Bescheid. Falls der Pizzabote auftaucht, kannst du sagen, es wäre deine Pizza, und ihn bezahlen.«
»Bekomme ich das vom Department erstattet?«
Er griff in seine Hosentasche und zog seinen Geldbeutel heraus.
»Steck das wieder ein«, sagte ich. »Das war ein Scherz.«
»Klar«, erwiderte er und ließ seine Zähne aufblitzen. »Mir kann man trauen.«
Sieben Minuten später trat ein kleiner Schwarzer Ende zwanzig mit fein geschnittenem Gesicht aus dem Palm Court, spähte über den Parkplatz, erblickte den Seville und winkte. Ich lief hinüber, und er hielt mir die Tür auf. Nachdem er mich in die dürftige, dämmrige Nische hineingebeten hatte, die das Hotel als Lobby präsentierte, führte er mich zu einem abgestoßenen braunen Metallaufzug, legte die Hand an den Mund und sprach so leise, dass ich mich zu ihm hinunterbeugen musste.
»Detective Sturger empfiehlt Ihnen aufzusteigen, Sir.«
»Danke.«
»Zimmer zwei fünfzehn. Sie können den Aufzug nehmen. Bitte.«
Der Aufzug ratterte gefährlich, und die Fahrt in den ersten Stock dauerte fast eine Minute. Er bestand aus einem niedrigen, mit pinkfarbenem Vinyl ausgeschlagenen Korridor voller graugrüner Türen mit billigen Schlössern. Der sandfarbene Teppichboden unter meinen Füßen war dünn und an den Kanten schmierig. In der Mitte des Gangs gurgelte eine Eismaschine. BITTE NICHT STÖREN-Schilder baumelten von drei Türknöpfen, und alle paar Meter sickerte Gelächter vom Band durch das Vinyl.
Kein Schild an Nummer 215. Ich klopfte, und Milos Stimme sagte: »Herein.«
Blaues Zimmer. Goldener Bambus über einer türkisfarbenen Tapete, ein etwa anderthalb Meter breites Bett, über das nachlässig eine marineblaue Decke gebreitet war, ein schwarz bemalter Schreibtisch mit Stuhl, ein an die Wand geschraubter Fernseher mit 50-cm-Bildschirm, obendrauf ein Gerät für Videofilme und Telespiele. Kein Wandschrank, nur offene Regale neben der Badezimmertür, die leer waren bis auf zwei Sixpacks Budweiser und eine Kollektion von Kartons für chinesisches Essen zum Mitnehmen. Ein Paar älterer Vuitton-Koffer war in eine Ecke geschoben worden, traurig wie verarmter
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