Fleisch und Blut
vorzulassen hätte niemandem den Tag verdorben, aber es herrschte gerade Ebbe in Sachen Nächstenliebe, und der rote Wagen stand dort lange Zeit und blinkte. Schließlich zeigte der Pick-up einer Gärtnerei ein Einsehen, und das Cabrio durfte dem Klub der nirgendwo rasch Ankommenden beitreten. Zehn Wagenlängen später auch ich.
Ich versuchte, nicht an meine lächerliche Beschattung Ben Duggers und Dr. Maccaferris zu denken, und zockelte dahin, wobei ich Mühe hatte, den Mercedes im Auge zu behalten, weil der rote Wagen sich noch an der roten Ampel am Sunset vorbeimogelte und mich hinter fünf Wagen zurückließ. Ich konzentrierte mich auf seine rechteckigen Rücklichter. Er bog nach rechts ab. Als ich wieder losfuhr, war von dem roten Wagen nichts zu sehen, und ich rollte mit den anderen Automaten in einem anregenden Tempo von fünfzehn Meilen pro Stunde dahin. Dann blitzten reihenweise Bremslichter auf, und die Verstopfung, die den Highway 405 ankündigte, brachte den Mercedes wieder in mein Blickfeld.
Knapp dreißig Meter vor mir in der äußersten linken Spur. Ich schaffte es, ein paar Mal nicht besonders höflich die Spur zu wechseln, und als der Mercedes sich für den Sepulveda anstelle des Freeways nach Süden entschied, hatte ich die Lücke verkleinert und war in der Lage, die verschwommenen Konturen eines einzelnen Fahrers durch das Plastikrückfenster des Cabrio auszumachen.
Er blieb auf dem Sepulveda, kreuzte den Wilshire, den Santa Monica und den Olympic Boulevard und fuhr so schnell, wie es der Verkehr zuließ. An der Stelle vorbei, wo man Laurens Leiche abgeladen hatte. Über den Pico und den Venice nach Culver City hinein, dann am Washington nach rechts, ein Spurt von einer Viertelmeile und ein rascher Schwung auf den Parkplatz eines kleinen Hotels namens Palm Court.
Auf der Nordseite des Washington Boulevards, zwei Geschosse im imitierten Kolonialstil, eingekeilt zwischen einer ARCO-Tankstelle und einem Blumengeschäft. Saubere weiße Schindelfassade, die ich unwillkürlich mit Jane und Mel Abbots Haus verglich. Der Parkplatz war durch die Sonneneinstrahlung ergraut und zu einem Drittel besetzt. Der Mercedes fuhr auf die äußerste linke Seite, in sicherer Entfernung von den anderen Fahrzeugen, und hielt abrupt an.
Ein Mann stieg aus und eilte auf die Glastür des Hotels zu. Mitte vierzig, groß, schlank und mit eingefallener Brust, langen sehnigen Armen und gewellten, grau werdenden Haaren. Er trug ein enges gelbes Poloshirt über einer gebügelten Khakihose, braune Halbschuhe ohne Socken und eine winzige Brille. Trug einen Aktenordner aus Pappe in der Hand. War Justin LeMoyne kurz nach Hause gefahren, um sich Schreibarbeit abzuholen? Er warf einen besorgten Blick über die Schulter, als er die Tür aufschob und eintrat.
Die Telefonzelle an der ARCO-Tankstelle roch nach zu altem Burrito, aber das Freizeichen war klar und deutlich. Ich rief Milo in der Division an, und bevor er sich melden konnte, sagte ich: »Endlich etwas Handfestes.«
»Yeah, sie sind beide da drinnen«, sagte er, als er zu dem Seville zurückkam und sich zum Fahrerfenster hereinlehnte. »Zimmer zwei fünfzehn. Sie haben gestern unter LeMoynes Namen eingecheckt.«
Er hatte eine Viertelstunde für den Weg hierher gebraucht. Er hatte seinen zivilen Einsatzwagen auf der gegenüberliegenden Seite des Parkplatzes abgestellt, ein paar Minuten mit dem Mann am Empfang gesprochen und war nickend wieder aufgetaucht.
»Kooperationsbereiter Typ?«, fragte ich.
»Äthiopischer Typ, der sich auf die Staatsbürgerschaftsprüfung vorbereitet, sehr ja, Sir, nein, Sir. Ich hab ihm versprochen, kein SWAT-Team der Armee anzufordern, falls er kein Theater machen oder LeMoyne und Salander benachrichtigen würde. Er schien von dem Abzeichen gebührend beeindruckt zu sein - woher sollte er auch wissen, dass hinreichender Grund für einen Durchsuchungsbefehl, geschweige denn für einen Einsatz von G.I. Joe ungefähr so wahrscheinlich ist wie eine Hochzeit von Gaddhafi und Streisand.«
»Ein donnernder Applaus für die bildende Kraft des Fernsehens.«
»Und ich dachte schon, es läge an meiner gebieterischen Aura. Er war auch mit der Information zur Stelle, dass Salander gerade angerufen und gefragt hat, wo er eine Pizza bestellen könne. Er hat ihnen Papa Pomodoro auf der Overland empfohlen und mir erzählt, dass sie eine garantierte Lieferfrist von einer halben Stunde haben, sonst ist die Pizza umsonst. Also klopfe ich in fünf Minuten an
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