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Fleisch und Blut

Fleisch und Blut

Titel: Fleisch und Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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einer Ewigkeit - als Student im ersten Semester in der Stadt angekommen war, hatte mich als Erstes die Erkenntnis überwältigt: Die Straßen sind Asphaltflüsse. Auf der High School hatte ich auf Hochzeiten Gitarre gespielt und in einem Architektenbüro die Ablage gemacht, um genug Geld für einen kotzfarbenen, schwindsüchtigen Chevy Nova zusammenzukratzen, den mein Vater, ein Ford-Mann, verabscheute. (Um Harry Delaware zu zitieren: »Er ist ein Scheißhaufen, aber wenigstens hast du ihn dir selbst verdient - nichts, was du dir nicht selbst verdienst, ist auch nur einen halben Scheißhaufen wert.«) Dieses von Spachtelmasse und Isolierband zusammengehaltene Gefährt brauste mit mir von Missouri nach Kalifornien, und als es vor meinem Wohnheim zum Stehen kam, begann es prompt zu spucken und gab den Geist auf. Den größten Teil des ersten Jahres war ich auf das nachträglich über L. A. gelegte Busnetz angewiesen - Hausarrest. Im folgenden Sommer hatten mir eine Reihe Jobs in den Nachtstunden einen moribunden Plymouth Valiant, chronische Schlaflosigkeit und die Angewohnheit eingetragen, vor Sonnenaufgang aus dem Bett zu stolpern, über dunkle, leere Boulevards zu rollen und über meine Zukunft nachzudenken.
    Jetzt schlafe ich morgens länger, aber das Bedürfnis, auf Rädern zu flüchten, ist nie eingeschlafen. Das gegenwärtige L. A. unterscheidet sich von dem meiner Collegezeit, der Straßenverkehr ist total chaotisch und nicht mehr rückgängig zu machen, immer weniger freie Bahn, bis man in die Santa Monica Mountains hochfährt oder auf eine alte Asphaltstrecke kommt, die durch die Freeways überflüssig geworden ist, aber ich liebe das Autofahren um des Fahrens willen immer noch. Das ist ein Charakterzug, den ich mit einer bestimmten Unterart von Psychopathen gemeinsam habe, aber was soll's - Selbstanalyse kann ein Spiel für Trottel sein.
    Nachdem Milo aufgelegt hatte, saß ich an meinem Schreibtisch und lauschte dem leeren Haus. Fragte mich, ob Robins häufige Abwesenheit nur auf ihre Arbeit zurückzuführen war. Fragte mich, wie ich mich im Fall Rene Maccaferri nur so hatte irren können (»Er sieht nicht wie ein Gehirnchirurg aus, Milo.«), und was ich sonst noch vermasselt hatte. Ich stieg in den Seville. Tony Duke war krank - vielleicht ernsthaft - inmitten von Malibus Pracht. Ich schaltete das Tapedeck ein und hörte den Fabulous Thunderbirds zu, die auf einem viel zu hohen Dezibel-Niveau »tough enough« waren. Ich jagte das Tal hoch bis zum Mulholland Drive, bog nach Osten in die Hollywood Hills, spielte mit Kurven und Kehren, schaltete ab, wollte meinen Kopf freibekommen.
    Ohne es zu wollen, war ich auf einmal wieder mitten in Hollywood - auf dem Sunset Boulevard. Keineswegs entspannter, immer noch von Mutmaßungen geplagt. Über Laurens Weg von einem rebellischen Teenager über die Fashion-Mart-Nutte bis zu ... was immer sie gewesen war, als die Kugel in ihr Gehirn eingedrungen war.
    Ich erinnerte mich an das Referat, das sie für Gene Dalbys Kurs in Sozialpsychologie geschrieben hatte: »Ikonographie in der Modebranche«.
    Frauen als Fleisch.
    Verbittert über die Zugeständnisse, die sie gemacht hatte? Hatte das eine Rolle bei der Verfolgung des Erpressungsplans gespielt, oder war sie nur gierig gewesen?
    Es dauerte eine lange Zeit, durch Beverly Hills und den östlichen Rand von Bei Air zu gondeln - zwei der »Drei Bs«, nach denen Shawna Yeager gestrebt hatte -, und als ich das Tal erreichte, geriet ich in den Stau und kroch dahin, wobei ich mich seltsam zu Hause fühlte, wie ein Mitglied einer riesigen, trägen Verschwörung.
    Die automobile Pattsituation bereitete mir keinen Stress; die Chromblockade war nicht schlimmer als der Neuronenstau in meinem Kopf. Ich versuchte mir gerade darüber klar zu werden, was ich mit dem Rest des Tages anfangen sollte, als ich merkte, dass ich mich zentimeterweise Justin LeMoynes Haus näherte. Als ich an dem weißen Bungalow vorüberkam, fiel mir eine winzige Bewegung auf.
    Das Garagentor ging zu. Eine Öffnung von knapp dreißig Zentimetern am Boden, bevor die Holzplatte sich schloss. An der nächsten Seitenstraße bog ich nach links über beide Fahrspuren ab, wendete, fuhr zur Ecke vor und wartete. Sieben Minuten später öffnete sich das Garagentor, und ein rotes Mercedes-Cabrio mit geschlossenem Verdeck schob sich mit links blinkendem Richtungsanzeiger vor. Derjenige, der am Steuer saß, wollte die Straße überqueren und nach Süden fahren.
    Den Mercedes

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