Fleisch und Blut
keine Frage. Aber sie hatte die typischen Kennzeichen - das Aussehen, der Gang, dieser ganze faule Zauber von wegen Klasse. Was weiß ich, vielleicht wurde sie von Gretchen Stengel ausgebildet.«
»Sie kennen Gretchen Stengel?«
»Ich habe von ihr gehört«, sagte LeMoyne. »Jeder in der Branche hat von ihr gehört. Wir haben nie zusammen zu Mittag gegessen, aber ich hab sie oft gesehen. Und bin vielen ihrer kleinen Hexen über den Weg gelaufen. Damals, als Gretchen ihr Gewerbe betrieb, konnte man in kein Lokal gehen, das auch nur ein bisschen angesagt war, ohne über sie zu stolpern.«
»Leicht zu identifizieren«, sagte Milo.
LeMoyne verdrehte die Augen. »Selbst für Sie, Sherlock. Gretchen war auf einen bestimmten Typ aus - cool, aber auf distanzierte Weise freundlich, und an der Kleidung waren sie stets eindeutig zu erkennen. Junge Frauen, die nicht in der Lage sein dürften, sich Couture für fünf Riesen zu leisten, sie aber gut trugen.« LeMoyne lächelte und klappte das Drehbuch zu. »Nicht dass es was genützt hätte. Wenn man den Unterschied zwischen wahrer Klasse und Tinnef kennt. Jedes einzelne dieser Mädchen hatte eine gewisse ... Gewöhnlichkeit. Wohnmobil-Pflanze, die einen auf Grace Kelly zu machen versucht.«
Er schlug die Beine übereinander. »Glauben Sie mir, Detective, dazu gehört mehr als Aerobic und ein Intensivkurs zum Thema, welche Gabel man benutzt. Trotzdem kann man die meisten Leute damit reinlegen ...« Zu Salander: »Sie war eine Nutte, Andy.«
Salander schaute zu Milo hoch.
Milo sagte: »In der Vergangenheit war sie das, Andy.«
»Oh ...« Noch ein schwerer Seufzer. »Ich bin très naïf, nicht wahr? Ich nehme an, es lag direkt vor meiner Nase, aber ich wollte es einfach nicht wahrhaben - nicht dass es eine Rolle gespielt hätte. Ich fälle kein Urteil, warum sollte ich mir ein Urteil erlauben? Und ich schwöre, in der ganzen Zeit, die wir zusammen gewohnt haben, hat sie nichts Illegales getan oder irgend) emanden nach Hause mitgenommen - ich schätze, wenn sie an diesen langen Wochenenden nicht da war, dann hat sie ... Sie hat mir erzählt ... Man kann mir nicht vorwerfen, dass ich ihr geglaubt habe. Okay, schön, ich bin naiv und dumm.« Er starrte LeMoyne an.
LeMoyne schüttelte den Kopf und schlug das Drehbuch wieder auf.
Milo fragte: »Was hat sie Ihnen über die langen Wochenenden erzählt, Andy?«
Salander wand sich. »Ich hab nichts gesagt, als Sie zum ersten Mal vorbeigekommen sind, weil ich mir nicht sicher war. Und jetzt sieht es so aus, als hätte es vielleicht nichts damit zu tun. Jetzt, wo Sie mir sagen, dass sie ... Die Sache ist die, ich wollte die Angelegenheit nicht komplizierter machen -«
LeMoynes Lachen unterbrach ihn. »Du plapperst, Andrew. Sie haben keinen Schimmer, wovon du überhaupt sprichst.«
Milo rückte näher an Salander heran.
»Wovon, Andy?«
»Ihre Familie«, sagte Salander. »Ihre wahre Familie. Sie sagte, sie wollte nach Malibu fahren, um Verbindung zu ihnen aufzunehmen. Nachdem sie erfahren hatte, wer ihr richtiger Vater war. Tony Duke. Ich vermute, sie hat ... fantasiert, stimmt's? Das ist die größte Fantasievorstellung der Welt, stimmt's? Der Wunschtraum jedes Mädchens. Wenn man sein Leben auf eine bestimmte Weise führt und dann plötzlich herausfindet, dass man sich auf einer ganz anderen Ebene befindet.«
Milo setzte sich auf das Bett.
Ich tat es ihm gleich.
Milo hatte das Notizbuch in der Hand. Seine Krawatte war gelockert. »Wann und wie hat sie davon erfahren, Andrew?« » Wann war letztes Jahr«, sagte Salander. »Vielleicht vor einem Jahr - kurz bevor wir zusammengezogen sind. Wie ist: Ihre Mutter hat es ihr erzählt. Die beiden hatten wieder eine Beziehung zueinander hergestellt. Sie hatten lange Zeit nicht mehr miteinander geredet, und dann begann Jane mit ersten Annäherungsversuchen, und sie fanden allmählich wieder Kontakt zueinander. Langsam - sie trafen sich dann und wann zum Mittagessen. Bei einer dieser Gelegenheiten hat Jane es ihr erzählt. Sie hatten eine Flasche Wein zusammen getrunken und waren in Plauderstimmung, und Jane ist einfach damit rausgerückt. Sie sagte, sie hätte Duke als Stewardess in einem Jet kennen gelernt, den er gechartert hatte - um einige Fotomodelle und einen Haufen anderer Leute für ein großes Fotoshooting und eine Party nach Hawaii mitzunehmen. Jane hat Duke schließlich persönlich bedient, und er hat sie eingeladen, ihren Aufenthalt in einer Villa zu verbringen, die er
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