Fleisch und Blut

richtig abzuzocken. Eine Unterhaltszahlung von fünfzigtausend im Jahr ist eine Sache, ein Stück von Duke Enterprises eine ganz andere.«
    »Vielleicht will ich es nicht wahrhaben«, sagte ich. »Aber denk mal drüber nach: Erpressung hätte nur funktioniert, wenn Tony Duke etwas zu verbergen hätte, Milo. Er hat Jane - und mittelbar Lauren - seit Jahren Geld geschickt. Falls er Leute eliminieren wollte, die ihm zur Last fielen, wa- rum sollte er dann nicht Nägel mit Köpfen machen und sie gleich zu Anfang umbringen lassen?«
    »Weil er mit Jane zu tun hatte, und mit Jane konnte man reden. Aber als Lauren die Wahrheit kannte, wurde die Sache unangenehm - o stürmische Jugend. Jane wusste, wozu Lauren in der Lage war. Deshalb hat sie versucht, sie von der Kontaktaufnahme mit Duke abzuhalten. Deshalb hat sie vermutet, dass irgendwas faul war, als Lauren verschwand. Nicht dass es sie dazu veranlasst hätte, mir die Wahrheit zu sagen.«
    »Jane sagt ihr, wer ihr Vater ist, und hält sie dann zurück«, sagte ich. »Das war manipulativ.«
    »Oder nur ein Versehen. Menschen machen Fehler. Salander hat Recht, was billigen Wein angeht. Jane hatte seit mehr als zwanzig Jahren mit dem Geheimnis gelebt. Schließlich verlor sie ihre Hemmungen und plauderte es aus. Dann begriff sie, was sie getan hatte, und versuchte, die Furien wieder zurück in die Büchse zu bekommen.«
    »Trotzdem«, sagte ich. »Dr. Maccaferris Anwesenheit in Malibu spricht dafür, dass Duke ernsthaft krank ist. Warum sollte er sich jetzt Sorgen machen, Lauren als seine Tochter anzuerkennen? Würde er nicht im Gegenteil zu ihr Verbindung aufnehmen wollen? Aber es gibt Leute, die Lauren als die höchste Bedrohung ansehen würden: ein riesiges Stück, das aus dem Erbschaftskuchen herausgeschnitten wird.«
    Er rammte die Hände in die Hosentaschen. »Dugger und seine Schwester.«
    »Lauren hatte eine Waffe bei sich, hat sie aber nicht benutzt. Meine Theorie war, dass sie den Mörder kannte und ihm vertraute. Halbgeschwister fallen unter diese Kategorie. Insbesondere ein Halbbruder wie Dugger - nach außen hin so ein netter Kerl. Lauren glaubte, sie wusste, wen sie vor sich hatte, gab ihre Vorsicht auf. Sie glaubte, sie wäre die Schauspielerin und er das Publikum. Dieser Irrtum kam sie teuer zu stehen.«
    Ein Pizza-Lieferwagen raste auf den Parkplatz, hielt an, der Fahrer überprüfte die Adresse, fuhr weiter zur Eingangstür und kam quietschend in einer Parkverbotszone zum Stehen. Ein Junge mit einer blauen Baseballmütze stieg mit zwei flachen weißen Kartons in der Hand aus.
    Milo sagte: »Hey!« und winkte ihn herüber. Der Junge blieb stehen, und wir liefen zu ihm. Hispanischer Abstammung, vielleicht achtzehn, mit extrem kurz geschnittenen Haaren, aztekischen Gesichtszügen, verdutzten schwarzen Augen.
    »Hier, mein Freund«, sagte Milo und zog zwei Zwanziger aus seiner Rolle Geldscheine. »Zimmer zwei fünfzehn, nur anklopfen und vor die Tür legen. Und behalt das Wechselgeld.«
    »Danke, Mann - Sir.« Der Junge spurtete zum Hotel, schob die Tür auf und verschwand.
    »Die Pizza-Olympiade«, sagte Milo. »Man muss nur genug positive Bestätigung bieten, und schon hätten wir ein siegreiches Leichtathletik-Team.« Er zeigte auf seinen Wagen, und wir gingen quer über den Parkplatz.
    Ich sagte: »Lauren dachte wahrscheinlich, sie wäre hinter dem Geld her, aber sie war auf der Suche nach Daddy. Zum Weinen.«
    »Ich frage mich«, sagte er, »ob Lyle je den Verdacht hatte, dass Lauren nicht seine Tochter war.«
    »Warum?«
    »Weil das genau die Sache wäre, die Lauren ihm aus reiner Boshaftigkeit erzählt haben könnte. Wenn er es erfahren hätte, würde das seine Feindseligkeit erklären, als wir ihn benachrichtigt haben. Auch warum er so sehr daran interessiert ist, von mir Informationen über Laurens Testament zu bekommen. Da er nicht blutsverwandt mit ihr ist, weiß er, dass er juristisch keinen Anspruch auf irgendetwas aus ihrem Nachlass hat. Aber nachdem Jane nicht mehr da ist, wer sollte ihm da widersprechen, und dem Gesetz nach wird seine Vaterschaft vorausgesetzt. Die Duke-Familie wird bestimmt nicht protestieren, falls er am Ende mit dem Geld aus Laurens Anlagekonto dasitzt. Und selbst wenn er es schafft, die Verbindung zwischen Lauren und Duke herzustellen, würde er den Mund halten, weil das seinen Anspruch auf dreihundert Riesen zunichte machen würde. Für die Dukes ist das Kleingeld. Für Lyle wäre das der Glücksfall seines