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Fleisch und Blut

Fleisch und Blut

Titel: Fleisch und Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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sagten, was mit ihr passiert war - es kam mir so vor, als würde meine gesamte Welt implodieren. Ich bin kein besonders spontaner Mensch, aber genau in dem Moment hätte ich glatt... verrückt werden können. Das bin ich natürlich nicht. Zu viel Selbstbeherrschung ...es stand zu viel auf dem Spiel... Das Tolle an Lauren war, dass ich mich in ihrer Gegenwart wieder fühlte wie ein Junge - ein Gefühl, das ich selten hatte, als ich wirklich ein Junge war. Wir zwei schmiedeten Pläne und lachten über das, was wir miteinander gemein hatten. Unsere Differenzen - sie fand dann irgendwas, bei dem wir einfach nicht einer Meinung sein konnten, und lachte und sagte: »So viel zum Thema Chromosomen. « Dinge dieser Art - niemand wusste Bescheid. Weder Anita noch die Frauen im Büro, niemand. Wenigstens glaubte ich das ... Dann begann ich, bestimmte Dinge wahrzunehmen. Blicke zwischen Kent und Cheryl, und Lauren nahm Cheryl beiseite und sprach mit ihr. Als ich sie danach fragte, sagte sie bloß, Cheryl wäre nett, aber nicht besonders klug. Kent habe ich nie gemocht, aber ich habe mir nie vorgestellt - wie kann man sich solche Dinge vorstellen? ... Arme Anita - nach außen macht sie einen harten Eindruck, aber das ist Theater. Sie war immer schon anfällig, hat einen reizbaren Magen, Asthma, Migräne - sie hat den größten Teil ihrer Kindheit in Arztpraxen verbracht ... Kent war ... ordinär, aber wie hätte ich daraufkommen können? ... Ich frage mich das immer wieder - Lauren nahm Cheryl immer häufiger beiseite - gab es irgendeine Möglichkeit, darauf zu kommen?
    Nein, sagte ich zu ihm. Niemand ist darauf gekommen.
     
    Er bat noch einmal um etwas Seven-Up, trank, sank auf die Kissen zurück und schloss die Augen.
    Ein Mann mit Selbstbeherrschung. Ein netter Mann. Brachte ohne den geringsten Hintergedanken Spielsachen zu einer Kirche. Spendete jedes Jahr fünfzehn Prozent seines Treuhandvermögens für wohltätige Zwecke.
    Niemand hatte ein böses Wort über ihn zu sagen, weil es nichts Böses zu sagen gab.
    Ich hatte darauf bestanden, in ihm einen perversen Mörder zu sehen.
    Manchmal ist eine Zigarre nur eine Zigarre.
    Ich nahm an, dass ich ihm das Leben gerettet hatte, aber wenn man all das bedachte und die Kugel, die er sich an meiner Stelle eingefangen hatte, schien es sich nicht um eine adäquate Gegenleistung zu handeln.
    Er war so großzügig gewesen, mir eine weitere falsche Ebenbürtigkeit zuzubilligen: in unserer gemeinsamen Beziehung zu Lauren. Als ob mein Auftritt als gescheiterter Therapeut dem Verhältnis, das ihn mit ihr verband, hätte nahe kommen können.
    Ein netter Kerl. An einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit hätte ich nichts dagegen gehabt, mit ihm über alles Mögliche zu reden. Über Psychologie zu plaudern, zu erfahren, was es bedeutete, als Tony Dukes Sohn aufzuwachsen.
    Aber ich hatte ihm nichts weiter zu bieten, und was er durchgemacht hatte - was Lauren durchgemacht hatte -, würde ich noch sehr lange mit mir herumschleppen.
    Die ungelösten Probleme ebenfalls.
    Anita. Baxter und Sage.
    Und jetzt hatte ich zusätzlich meine eigenen Probleme, mit denen ich fertig werden musste.
    Als ich nach seiner Krankenschwester klingelte, wusste ich, dass ich ihn oder ein anderes Mitglied von Tony Dukes Familie höchstwahrscheinlich nie mehr wiedersehen würde, und das wäre auch ganz in Ordnung.

36
    Die Schwester bestellte jemanden, um mich hinauszubringen, und ein anderer großer Mann erschien - ein Blonder mit rasiertem Schädel und dem rosafarbenen Teint eines gekochten Hummers -, der einen limettengrünen Anzug über einem schwarzen T-Shirt trug. Ich grüßte Dugger knapp zum Abschied und verließ das gelbe Zimmer.
    »Schöner Tag, Sir«, sagte mein Begleiter und wandte den gleichen Ellbogengriff an, um mich durch den mit schwarzem Walnussholz getäfelten Korridor zu führen. Vergoldete Nischen waren mit Statuen besetzt, Vasen standen voller Blumen, Ds punktierten den blau-goldenen Teppichboden alle sieben Meter.
    Auf dem Weg zum Aufzug kamen wir an einem Zimmer vorbei, dessen Flügeltür bei meiner Ankunft geschlossen gewesen war. Jetzt stand sie offen, und ich konnte einen Blick in einen Raum von der Größe eines Ballsaals mit zebragestreiften Wänden werfen.
    Noch ein Krankenhausbett, neben dessen Kopfteil der stoische Dr. Maccaferri stand und Blut mit einer Spritze aufzog, die er in einen Infusionsschlauch gestochen hatte.
    Noch ein zu kleines Bett. Der winzige kahle Kopf war über

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