Fleisch und Blut
reißen kannst und damit durchkommen wirst.«
Er schnaubte, seufzte. »Bringen wir's hinter uns.«
»Das mit der Polizei war nicht gelogen«, sagte ich. »Du bist ein Hauptverdächtiger. Sie wissen Bescheid über deine Zeit in der Kleiderbranche, dass du Lauren kennen gelernt hast, als sie den Märt abgegriffen hat. KUSS ein Schock für dich gewesen sein, als sie an Bens Seite in Malibu auftauchte - der gute alte Ben, der wieder Scheiße baute und noch eine dumme Blondine aufgabelte. Er fährt auf sie ab, nicht wahr? Benutzt seine Experimente, um sie zu finden und anzumachen, aber wenn er sie dann hat, weiß der arme Trottel nicht, was er mit ihnen anfangen soll. Cheryl, Lauren, Shawna Yeager - was ist mit ihr passiert? Womit ist sie euch in die Quere gekommen?«
Dasselbe Flackern von Verwirrung in seinen toten Au- gen. Cheryls Blut kroch näher an seine Schuhe heran, und er machte wieder einen kleinen Schritt zur Seite. Unwillkürlich sah ich sie an. Lebenssaft floss aus der blonden Mähne zu einer tiefen Stelle zwischen den Brettern und tropfte hindurch. Man sagt, Haie können einen Tropfen in Millionen von Litern riechen. War jetzt was los im Hai-Internet?
Irving hob die Pistole.
»Noch eine Blondine«, sagte ich. »Aber Lauren war nicht dumm. Ganz im Gegenteil. Sie war eine doppelte Bedrohung - kannte dich aus der schlechten alten Zeit, der Zeit mit einer Nutte pro Nacht. Wusste Sachen, von denen du auf keinen Fall wolltest, dass Anita sie erfährt. Und dazu kommt, dass sie dir auch noch erzählt, wer sie ist - was sie will. Was der ganzen Sache die Krone aufsetzt.«
Irving seufzte erneut. Der Trainingsanzug ließ ihn pummelig wirken. Mit seinem Pferdeschwanz sah er aus wie Mr. Midlife-Crisis, und als er mit der Waffe auf mein Gesicht zielte, fuhr mir ein Übelkeit erregender Gedanke durch den Kopf: So soll es also passieren - durch einen Clown wie den da. Dann: Tut mir Leid, Robin.
Dann rief eine Stimme hinter Irving: »Kent? Was machst du da? Was ist los?«, und Irving blinzelte und drehte sich um, als Schritte auf dem Pier ertönten.
Ein Mann rannte auf uns zu. Irving reagierte reflexartig, der Arm mit der Waffe schwankte, er begriff seinen Irrtum und drehte sich zu mir zurück, aber ich hatte mich bereits auf ihn geworfen und griff nach der Pistole.
Schaffte es nur, gegen seinen Ellbogen zu stoßen.
Er schoss in die Luft.
Die neue Stimme sagte: »Oh, mein Gott!«, und Irving schlug auf mich ein, und ich hackte mit der Handkante nach ihm, blieb dicht an ihm dran, versuchte ihm die Waffe zu entreißen. Ein neues Paar Hände griff nach Irving, der nun knurrte und wieder schoss.
Die neue Stimme sagte: »Oh!« und ging zu Boden, aber Irving hatte das Gleichgewicht verloren, und ich stieß ihm mit dem Knie hart in den Unterleib, und als er sich zusammenkrümmte, stieß ich mit den Fingerspitzen nach seinen Augen.
Ich traf auf etwas Weiches, und er schrie und stolperte, und ich schob ihn zurück, immer weiter hinunter auf die Bretter, war über ihm, saß rittlings auf ihm und schlug weiter zu. Es war eine Weile her, dass ich mit Karate herumgespielt hatte, und was ich ihm antat, hatte mehr mit blinder Wut als mit Kampfkunst zu tun; ich schlug immer und immer wieder gegen seinen Kopf und seinen Hals, mit steifen Fingern und starren Fäusten, mit blutigen Händen hauend und stechend, noch lange nachdem er aufgehört hatte, sich zu bewegen.
Die Pistole war ein Stück neben seinem Arm gelandet. Ich hob sie hoch und richtete sie auf Irving.
Er bewegte sich nicht. Sein Gesicht war eine blutige Masse.
Anderthalb Meter weiter stöhnte Ben Dugger. Ich ging zu ihm, um nachzusehen, wo er getroffen worden war.
35
»Ich habe mich geirrt«, sagte ich. »Um Lichtjahre.«
Dugger lächelte. »In welcher Hinsicht?«
»In Ihnen. In vielen Dingen.«
Es war elf Uhr, drei Tage nachdem ich Cheryl Duke hatte sterben sehen.
Während dieser Zeit hatte Robin eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen. Schade, dass ich dich verpasst habe. Ich versuche wieder anzurufen ... Im Telefonbuch war keine Privatnummer ihrer Freundin Debby aufgeführt, und als ich Debbys Zahnarztpraxis anrief, informierte mich eine Voicemail, dass Frau Doktor eine Woche Urlaub machte.
Mein Leben stagnierte seit drei Tagen, aber Ben Dugger war gereist: vom Notarztwagen, den ich telefonisch alarmiert hatte, zur Unfallstation am St. John's; dort erfolgte eine dreieinhalbstündige Operation, bei der Blutgefäße in seinem Oberschenkel
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