Fleisch und Blut
weiß, wie viel sie dann eingenommen hat. Und das bringt mich zu der Frage, ob ein Teil ihres Einkommens sich aus zusätzlichen Quellen speist. Erpressung beispielsweise. Wer ist besser dafür geeignet als ein Callgirl, hässliche Geheimnisse zusammenzutragen und zu versuchen, aus ihnen Profit zu schlagen?«
»Das wäre auch ein Grund dafür, ihren Computer mitgehen zu lassen.«
»Precisimoso. Da steht viel Geld auf dem Spiel. Collegeprofessoren passen da nicht ganz ins Bild.«
»Manche Collegeprofessoren sind finanziell unabhängig. Gene Dalby zum Beispiel.«
»Du erwähnst ihn immer wieder. Stört dich irgendwas an ihm?«
»Überhaupt nicht«, erwiderte ich. »Ein alter Studienkollege, hat versucht, mir zu helfen.«
»Nun gut - auf zu neuen Ufern.«
»Dann lassen wir das Intimitätsprojekt einfach auf sich beruhen? Das hier könnte eine aktuelle Nummer sein.«
Er nahm sich erneut das Buch, zog sein Mobiltelefon hervor, murmelte: »Wahrscheinlich krieg ich Ohrenkrebs«, und tippte die Nummer ein. Nichts in seinen Augen verriet mir, ob er eine Verbindung bekommen hatte, aber während er zuhörte, suchte er in seiner Tasche nach seinem Notizblock, schrieb etwas auf und unterbrach die Verbindung.
›»Motivational Associates Newport Beach‹«, sagte er. »Freundliche Frauenstimme: ›Unsere Geschäftszeiten sind von zehn bis bla bla bla.‹ Klingt nach einem dieser Marketingläden.«
»Intimität und Marketing«, sagte ich.
»Warum nicht? Intimität ist ein Verkaufsargument. Das hätte Lauren garantiert auch so gesehen. Also war das Schwarzarbeit für sie. Sie hatte was für Geld übrig und hat noch einen Teilzeitjob angenommen. Ergibt das einen Sinn?«
»Vollkommen.«
»Hör zu«, sagte er, »geh der Sache ruhig nach. Ruf auch den anderen Professor an - de Soundso. Wenn dir was komisch vorkommt, sag mir Bescheid. Was mir im Moment komisch vorkommt, ist der fehlende Computer. Ich brauche jemanden, der mich zurück aufs Revier bringt, damit ich zu meinem Auto komme und nachsehen kann, ob irgendwelche Nachrichten reingekommen sind; dann mach ich Schluss für heute. Willst du mein Chauffeur sein, oder soll ich mich an einen der blauen Jungs wenden?«
»Ich fahre dich«, sagte ich.
»Was für ein Mann«, erwiderte er leichthin und marschierte aus dem Zimmer.
Als wir die Wohnung verließen, sagte er: »Es tut mir wirklich Leid, wie sich das hier entwickelt hat.«
Am nächsten Morgen um neun Uhr rief ich Dr. Simon de Maartens zu Hause an, und als er an den Apparat ging, hörte er sich zerstreut an. Als ich mich vorstellte, wurde seine Stimme kälter.
»Ich habe Sie bereits zurückgerufen.«
»Vielen Dank, aber es gibt noch ein paar Fragen -«
»Fragen?«, sagte er. »Ich sagte Ihnen doch, dass ich mich nicht an die junge Frau erinnere.«
»Dann erinnern Sie sich auch nicht daran, dass sie mit Ihnen über die Beteiligung an einem Forschungsprojekt gesprochen hat?«
»Forschungsprojekt? Natürlich nicht. Sie hatte noch kein Examen. Nur Studenten mit einem abgeschlossenen Studium sind in meinem Labor zugelassen. Jetzt -«
»Das Wahrnehmungsseminar von Ihnen, an dem Lauren teilgenommen hat«, sagte ich. »Haben Sie die Studenten in kleinere Diskussionsgruppen aufgeteilt?«
»Ja, ja - das ist so üblich.«
»Wäre es möglich, eine Liste der Studenten in Laurens Gruppe zu bekommen?«
»Nein«, sagte er. »Das wäre nicht möglich, Sie behaupten, zum Lehrkörper zu gehören, und stellen eine derartige Frage? Das ist unglaublich - was haben Sie mit dieser ganzen Sache eigentlich zu tun?«
»Ich kannte Lauren. Ihre Mutter macht eine schreckliche Zeit durch, und sie hat mich gebeten, mich der Sache anzunehmen.«
»Nun ja ... Es tut mir Leid, aber das ist eine vertrauliche Angelegenheit.«
»Die Teilnahme an einer Seminargruppe ist vertraulich?«, erwiderte ich. »Nicht, als ich mir zum letzten Mal die Standesrichtlinien der APA angesehen habe.«
»Alles, was die akademische Freiheit betrifft, ist vertraulich, Dr. Delaware.«
»Schön«, sagte ich. »Vielen Dank für das Gespräch. Vermutlich wird sich die Polizei mit Ihnen in Verbindung setzen.«
»Dann werde ich denen genau das Gleiche sagen.«
Klick.
Wenn dir was komisch vorkommt, sag mir Bescheid.
Ich rief Milo an. Zu Hause, in seinem Wagen und an seinem Schreibtisch ging niemand ran. Ich sagte seiner Voicemail: »De Maartens war nicht hilfsbereit. Er verdient ein wenig Aufmerksamkeit.«
Eine leibhaftige Frau ging bei Motivational
Weitere Kostenlose Bücher