Fleisch
der Reihe, zu sagen: „Das meinen Sie doch nicht ernst!“
10. KAPITEL
Williamsburg, Virginia
„Ich war gerade drei Tage in Norfolk“, begann Roger Bix, nachdem er zwei Gabeln Pfirsichkuchen gegessen hatte.
„Nicht um Urlaub zu machen, nehme ich an.“
„Zweiundvierzig Schüler der Geneva Highschool haben sich den Magen ausgekotzt, nachdem sie in der schuleigenen Cafeteria zu Mittag gegessen hatten.“
„Eine Lebensmittelvergiftung?“
Bix antwortete nicht.
„Leider passiert das öfter, als wir es merken.“ Platts zweiter Bissen Cheeseburger schmeckte ihm nicht mehr so gut wie der erste. Bix hatte seinen Appetit offensichtlich nicht verloren. Dafür, dass er erst „nur einen Kaffee“ haben wollte, verschlang er seinen Kuchen, als habe er den ganzen Tag nichts gegessen.
„Woran lag es also?“, fragte Platt, als Bix nichts sagte. „Kolibakterien? Salmonellen?“
Der Einsatzleiter des CDC legte seine Gabel nieder, griff nach dem Becher und schlürfte seinen Kaffee. „Keine Ahnung.“
„Noch zu früh, um es definitiv sagen zu können?“
„Nein. Ich weiß es einfach nicht. Ich habe auf die sechs wichtigsten Kolistämme und drei verschiedene Salmonellenarten getestet. Bis jetzt habe ich nichts gefunden.“
Platt sah ihn an und wartete, dass Bix aufhörte, sich im Diner umzusehen, als wolle er plötzlich nicht mehr weitersprechen. Bakterien konnten kompliziert sein. Oftmals fand man sie nur, wenn man auf sie testete. Es war leider nicht so, dass man eine Probe unter ein Mikroskop hielt und die diversen Bakterien in verschiedenen Neonfarben leuchteten.
„Wollen Sie damit sagen, dass es etwas sein könnte, was wir für gewöhnlich nicht zu sehen bekommen?“
„Es könnte eine Mutation sein. Ich weiß es einfach nicht.“
Platt sah Bix dabei zu, wie er nervös an seinem Besteck herumfingerte. „War es ein Zufall, oder lag eine Absicht dahinter?“
„Sie wissen ja, dass es Leute gibt, die sagen, dass die Lebensmittelversorgung in unserem Land nur auf einen Unfall von epidemischen Ausmaßen wartet. Wir haben es mit einer Verwaltung zu tun, die die Fettleibigkeit von Kindern zu einer Frage der nationalen Sicherheit macht und am liebsten alle Verkaufsautomaten aus den Schulen verbannen würde. Sie wollen den Fast-Food-Ketten verbieten, Kinder mit Spielzeuggeschenken anzulocken. Sie haben den Cornflakeshersteller Cheerios öffentlich gerügt, weil er damit geworben hat, dass seine Produkte cholesterinsenkend seien, obwohl die Firma dazu nicht die Erlaubnis der obersten Bundesbehörde gehabt habe.“ Er fuhr mit seiner Hand wirbelnd durch die Luft. „Und gleichzeitig ist unsere nationale Lebensmittelversorgung anfälliger für Unfälle, Verunreinigungen und Manipulationen als je zuvor. Und was sagt die zuständige Behörde? Dass man mehr Verordnungen braucht! Und das, obwohl sie nicht einmal das überwachen wollen und können, wofür sie bereits zuständig sind. Sie schließen zum Beispiel Eierlieferanten wegen des Ausbruchs von Salmonellen und reden dann öffentlich davon, dass man mehr Regeln und Vorschriften bräuchte, während nur achtundvierzig Stunden vor diesem Ausbruch ein Kontrolleur des Landwirtschaftsministeriums den Betrieb für völlig in Ordnung erklärt hat.“
Bix legte das Besteck weg und lehnte sich zurück. Er strich sich über das Kinn und rieb sich die Augen. Platt blieb ruhig und gönnte ihm seinen Wutausbruch.
Platt war ein Soldat. Er konnte sich nicht den Luxus erlauben, offen seine politischen Ansichten kundzutun wie Bix, der zwar im öffentlichen Dienst beschäftigt, aber immer noch ein Zivilist war. Das hieß allerdings nicht, dass Platt ihm nicht zugestimmt hätte – wenigstens einem Teil dessen, was er gesagt hatte. Aber es war spät. Platt war zwei Stunden hierhergefahren, und eine ebenso lange Rückfahrt erwartete ihn. Er schuldete Bix keinen Gefallen. Nach seiner Rechnung waren sie quitt.
„Also, was ist da los, Roger?“
Bix hatte seinen Kuchen aufgegessen, stützte wieder die Ellbogen auf den Tisch, verschränkte seine Hände und legte die Zeigefinger aneinander.
„Es ist offenbar eine Erkrankung, die aus dem Essen resultiert. Ganz offensichtlich ist etwas kontaminiert. Alle Betroffenen hatten an dem Tag in der Cafeteria zu Mittag gegessen, und alle zeigen die typischen Symptome einer Lebensmittelvergiftung: Übelkeit und Erbrechen, dann Magenkrämpfe, Durchfall und Fieber. So verlief der erste Tag. Und ich wünschte, ich wäre schon am ersten Tag
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