Fleisch
wollte noch ein paar letzte Aufnahmen machen und die Kamera dann wegpacken, sonst würden sie sie ihm mit Sicherheit wegnehmen.
Er blickte sich um, sah aber niemanden. Vielleicht nur Einbildung. Auf einmal schaltete sich ein Elektromotor ein, und ein Ventilator an der Decke begann sich zu drehen. Stotter atmete aus und wischte sich über die Stirn. Natürlich, die Geräte gingen automatisch an und aus. Aber er musste sich trotzdem beeilen. Er durfte nicht trödeln und sein Glück herausfordern.
In dem ersten Behälter schwebten große Blätter in vielen Schichten übereinander. Prachtvolle, ungewöhnlich große Blätter, die mit blutroten Adern durchzogen waren. Die Flüssigkeit schien sie perfekt zu konservieren. Er drückte ein paarmal auf den Auslöser und ging weiter.
Den nächsten Tank starrte er eine ganze Weile an. Fünf völlig unterschiedliche Objekte, unterschiedlich in Größe, Form undBeschaffenheit. Sie erinnerten an Organe, waren aber beinahe durchsichtig; an manchen Stellen schien das blaue Licht hindurch und beleuchtete, was wie ein Netz aus Adern und Blutgefäßen aussah. Erneut hockte er sich hin, um die Objekte von unten in Augenschein zu nehmen. Da erst sah er, was sich direkt vor ihm befand. Erschrocken zuckte er zurück und stürzte zu Boden. Er ließ seinen Fotoapparat fallen, der außer Reichweite rutschte.
Irgendwo in dem Gebäude sprang noch ein Motor an, doch Stotter wandte den Blick nicht ab.
Wegen des Gewebes, das an ihm dranhing, hatte er es nicht gleich erkannt, aber sogar noch aus dieser Perspektive, mit dem Hintern auf den kalten Fliesen, konnte Stotter sehen, worum es sich handelte: Er hatte einen Augapfel vor sich.
Er richtete sich auf den Knien auf, betrachtete jedoch unablässig den Tank und die in ihm schwebenden Objekte. Nun hatte er einen Ansatzpunkt, und er versuchte, sich zu konzentrieren und sich daran zu erinnern, was alles gefehlt hatte, wenn ein Rancher ein verstümmeltes Rind gefunden hatte. Denn Stotter war sich ziemlich sicher, dass er gerade eins der fehlenden Teile entdeckt hatte.
Mit der Hand tastete er nach seiner Kamera. Sie musste irgendwo ganz in der Nähe liegen. Da trat ein schwerer Stiefel auf seine Finger, und er spürte, wie seine Knochen brachen. Sein Aufschrei wurde von einem zweiten Stiefel abgeschnitten, der ihn unter dem Kinn erwischte und seinen Kopf zurückschnellen ließ.
53. KAPITEL
Nebraska
„Sheriff Skylar hat gar nicht erwähnt, dass er mit Ihrem Mann zusammen gedient hat“, meinte Maggie, als sie ein weiteres Foto entdeckte, das die drei Männer zeigte, nur dass sie diesmal Jagdkleidung trugen. Sie standen neben einem Hirsch, der an einem Baum hing. Skylar und der andere Mann hatten Gewehre in der Hand, während Mike Griffin in der Mitte stand und mit einem der größten Jagdmesser posierte, die Maggie je gesehen hatte.
„Oh ja.“ Mrs Griffin trat zu Maggie und strich mit dem Zeigefinger über den Rahmen des ersten Fotos. Ihr Finger wanderte über den dritten Mann, eine merkwürdig zärtliche Geste, schließlich handelte es sich nicht um Mike. Zum ersten Mal sah Maggie in Cynthia Griffins Gesicht ein echtes Gefühl.
Sie blickte Maggie an, jedoch weder peinlich berührt noch entschuldigend.
„Mike, Frank und Evan, mein erster Mann, waren zusammen im Irak, während der Operation Desert Storm“, erklärte sie. „Diese Aufnahme entstand, kurz bevor sie zurückkamen. Unglücklicherweise kehrte Evan nicht mit ihnen nach Hause zurück.“
„Das tut mir leid.“
„Evan und Griff waren Ingenieure. Eigentlich wollten sie nur ein wenig Soldat spielen, jedenfalls sagte Evan das, als er sich verpflichtete.“
„Mom?“
Cynthia Griffin zuckte zusammen. Das würde die letzte unkontrollierte Bewegung sein, die Maggie an diesem Tag von ihr erlebte.
„Oh Mandy! Agent O’Dell möchte sich gerne noch einmal mit dir unterhalten.“
„Wenn es um Courtney und Nikki geht, dazu kann ich nichts sagen.“
„Nein, deswegen bin ich nicht gekommen.“
Das Mädchen konnte seine Erleichterung nicht verbergen, auch wenn es das versuchte, indem es das Haar zurückstrich, das, obwohl es frisch gewaschen und gekämmt war, ihm auch heute wieder passenderweise ins Gesicht fiel. Mandys Hautfarbe sah gesünder aus, nicht mehr so blass. Ihre Augen waren nicht gerötet, die Pupillen nicht vergrößert.
Maggie wartete, während Mrs Griffin ihrer Tochter sagte, wohin sie sich setzen solle, und ihr dann eine Tasse Kaffee auf den passenden Untersetzer
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