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Fleischeslust - Erzaehlungen

Fleischeslust - Erzaehlungen

Titel: Fleischeslust - Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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brodelte die häßliche, gedankenlose Menschheit. Wir nahmen ein Taxi direkt zur Grand Central Station. Nach dem, was wir durchgemacht hatten, fehlte uns beiden die Kraft zum Mittagessen, und so saßen wir die ganze Rückfahrt hindurch schweigend im Abteil. Adriana hielt Jane Austen an die Brust gedrückt, ich drehte mein Buch der Frösche wieder und wieder in den Händen herum. Jedes Ruckeln und Rumpeln der Hudson Line trieb mir einen brennenden Pfahl in die Lendenwirbelsäule.
    Am nächsten Morgen überlegte ich, ob ich Charlene anrufen sollte, um ihr zu sagen, daß ich krank war, aber ich hatte Schuldgefühle: warum meiner Schwester den Geburtstag ruinieren, nur weil der ganze Planet über den Jordan ging? Als Adriana um zehn mit drei großen Supermarkttüten kam, als wäre nichts passiert, schluckte ich zwei Aspirin, band mir eine Schürze um und fing an, Kichererbsen zu zermahlen.
    Alles in allem war es ein lustiger Nachmittag. Draußen prasselte der Regen, und wir zündeten im Eßzimmer den Kamin an und ließen beim Kochen die Tür offen. Adriana stellte im Radio Kammermusik ein, und wir tranken eine Flasche Wein, während sie den Teig für Fladenbrot knetete und Zwiebeln kleinhackte. Wir plauderten über Belangloses – Frank Sinatras Haar, ob Tomatenpüree besser war als vorgekochte ganze Tomaten, über die Scheidungen unserer Freunde, die Fusseln in der Wäsche –, wobei wir die schmerzlichen Fragen, die an uns nagten, möglichst umschifften. Es war sehr angenehm. Ruhig. Heimelig. Der Wein verschwor sich mit dem Aspirin, und nach einer Weile löste sich der Knoten in meinem Rücken.
    Jerry, Charlene und die Kinder waren etwas früh dran, und ich servierte Hummus und Fladenbrot, während Adriana noch Ziegenfleisch in der großen gußeisernen schwarzen Pfanne schmorte, die sie von zu Hause mitgebracht hatte. Wir waren gerade bei unserem zweiten Drink – Jay und Nayeli, mein Neffe und meine Nichte, saßen draußen auf der Veranda und fingen das Eiswasser auf, das aus der Regenrinne tropfte –, da warf sich Adriana auf den Stuhl gegenüber Jerry und verkündete mit markerschütternder Stimme das Aussterben der Frösche.
    Diese Tatsache schien ihn ziemlich zu überraschen. Er und Charlene erzählten mir gerade die halb ernste, halb komische Geschichte ihres Segelboots, das sie bis dato an die $16000 pro Stunde auf See gekostet hatte und mit dem er, Jerry, auf der Jungfernfahrt gleich außerhalb des Yachthafens in ein wesentlich größeres Schiff gekracht war. Jetzt hielten sie beide den Atem an und sahen Adriana an. Jerry ordnete sein Lächeln neu. »Was hast du gesagt?«
    Adriana roch nach Ziegenfleisch und Knoblauch. Sie war schlaksig und hatte lange, schön geformte Füße, große Augen und Gliedmaßen wie eine Statue. Sie richtete sich auf der Stuhlkante auf und versuchte zu lächeln. »Die Frösche«, sagte sie. »Und die Kröten. Irgendwas bringt sie um, auf der ganzen Welt, von Alaska bis nach Afrika. Wir sind gestern bei einem Vortrag gewesen, Peter und ich.«
    »Frösche?« wiederholte Jerry nachdenklich und strich sich über den Nasenrücken. Sein Lächeln, das sich jetzt ganz entfaltet hatte, war eine Augenweide. Meine Schwester, die um die Augen und die Nase unserer verstorbenen Mutter ähnelte, stieß ein leises, belustigtes Quietschen aus.
    Adriana wirkte unsicher. Sie ließ eine Kurzversion ihres Pferdegelächters ertönen und wandte sich hilfesuchend mir zu.
    »Das ist kein Witz«, sagte ich. »Wir reden hier von aussterbenden Arten.«
    »Da war dieser Mann«, fuhr Adriana fort, hastig und überstürzt, »ein Biologe auf der Konferenz gestern, B. Reid – aus Berkeley –, und der zog lauter vertrocknete Frösche aus der Tasche... das war scheußlich...«
    Ich hörte den Regen aufs Dach prasseln, kalt und unzeitgemäß. Nayeli rief etwas von der Terrasse. Das Feuer knisterte im Ofen. Ich merkte, daß wir es nicht so richtig hinkriegten: mein Schwager, der Arzt, machte sich auf dem kleinen Rezeptblock in seinem Kopf bereits eine kurze Notiz über unseren Geisteszustand. Weshalb erzählten wir ihm das alles? Sollte er, der permanente Spaßvogel, der nicht einmal gegen meinen Hexenschuß ankam, sich etwa mit dem Verlust der Biosphäre auseinandersetzen, mit dem ewigen Tod und der Verwandlung allen Lebens, wie wir es kannten?
    Nein, das würde er nicht.
    »Ihr meint das im Ernst, was?« fragte er nach einer Weile. »Ihr glaubt wirklich an diese ganze Umwelthysterie.« Er ließ das Lächeln

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