Fleischeslust - Erzaehlungen
komme her«, erklärte sie stockend in ihrer dünnen, kehligen Stimme, »wir haben das nicht.«
Das eröffnete sie mir erstmals im Auto auf der Fahrt vom Flughafen. Ihre Augen funkelten, die Dodgers-Mütze (einer der Geschäftsmänner hatte sie ihr geschenkt) saß auf ihrem Kopf wie ein Siegeskranz, und sie trällerte fröhlich die Marken aller Autos vor sich hin, die wir auf der Autobahn überholten: »Corvette! Nissan-Z! BMW 750!« Ich versuchte, mich auf die Straße zu konzentrieren, trotzdem mußte ich von Zeit zu Zeit einen verstohlenen Blick auf sie werfen.
Rob Peterman hatte sie großzügig beschrieben, das sah ich jetzt. In der Aufregung am Flughafen hatte ich nur die exotische Irina wahrgenommen, Rob Petermans fleischgewordenes Ideal, doch als ich sie jetzt näher betrachtete, merkte ich, daß sie nicht direkt schön war – auf jeden Fall interessant und auf gewisse Weise auch hübsch, aber doch himmelweit entfernt von der hyperboreischen Göttin, die ich erwartet hatte. Aber ist das nicht immer so?
»Ist das nicht ein Laden von I. Magnin?« juchzte sie, als wir die Autobahnabfahrt nahmen. Dann wandte sie sich mir zu und schenkte mir wieder ihr Lächeln, schnurrte und gurrte. »Oh, Casey, das alles ist – wie soll ich sagen? – so viel zuviel aufregend für mich.«
Ja, ihre Augen traten leicht hervor, die Stirn war zu breit, der Mund zu verkniffen und die kleinen Zähne zu spitz, aber sie paßte in ihre Jeans, als wären sie für sie geschneidert, und dann waren da ihr Haar und ihr Lächeln. Für einen seit drei Monaten geschiedenen Mann wie mich sah sie gut aus – mehr als gut: ich vergaß das Ideale und taumelte ins Reale. »Ich fahr dich morgen hin«, sagte ich, »dann kannst du dich im Kaufhaus austoben.« Sie strahlte mich an, verehrte mich mit Blicken. »Heute abend«, fuhr ich fort und ließ meine Stimme ein wenig leiser werden, um meine Eilfertigkeit zu verbergen, »heute abend gehen wir nur noch essen – also, das heißt, wenn du nicht zu müde bist...«
Zwei Wochen zuvor hatte mich Rob Peterman aus Georgetown angerufen, wo er an der Universität als eine der Hauptstützen der Abteilung für internationale Beziehungen fungierte. Er kam gerade von einer sechswöchigen Vortragsreise durch Rußland zurück, und er brachte mir gute Neuigkeiten mit – oder noch besser: er hatte ein kleines Geschenk für mich.
Ich kannte Rob schon seit Ewigkeiten. Wir waren gemeinsam auf dem College gewesen, und wir hatten ein paar wilde Sachen miteinander erlebt. Seit damals waren wir in Kontakt geblieben. »Ein Geschenk?«
»Laß es mich so formulieren, Case«, sagte er. »In Moskau gibt’s Unmengen von Studenten, Tausende und Abertausende, und sehr viele von ihnen sind Student innen , junge Frauen aus der Provinz, die alles tun würden, um in der Hauptstadt bleiben zu können. Oder noch besser: um ausreisen zu dürfen.«
Damit hatte er meine Aufmerksamkeit, zugegeben.
»Du würdest dich wundern, wie viele von ihnen in den Inturist-Bars und in den Hotels herumhängen und wie gebildet und intelligent sie sind – attraktiv sowieso... du verstehst schon: ukrainische Prinzessinnen, Leckerbissen aus Georgien, exotische, langbeinige Slawinnen...«
»Ja? Und?«
»Sie heißt Irina, Case«, sagte er, »und sie landet nächste Woche in L.A., mit dem TWA-Flug 895 aus Moskau, mit Zwischenlandung in Paris. Irina Sudeikina. Ich hab sie, äh, kennengelernt, als ich drüben war, und sie braucht hier eine Anlaufstelle.« Er senkte die Stimme. »Wenn Sarah das mit ihr rauskriegt, bringt sie mich zum Tierarzt und läßt mir einen sauberen Schnitt verpassen, verstehst du?«
»Wie sieht sie denn aus?«
»Wer, Irina?« Und dann kam seine großzügige Beschreibung, die volle zwölf Absätze füllte und die Flammen meiner Vorfreude anfachte, bis ich ein wahrer Feuerball aus Gier, Lust und Leidenschaft war.
»Na gut«, sagte ich schließlich, »schon verstanden. Wie war doch gleich ihre Flugnummer?«
Und so saßen wir in meinem Wagen, fuhren den Pico Boulevard entlang zu meiner Wohnung, und meine Bemerkung über das Abendessen mit all den darin lauernden Untertönen hing zwischen uns. Ich hatte das Ausziehbett im Gästezimmer gemacht, eine Lampe in der Ecke aufgestellt, ein bißchen aufgeräumt. Von einem Hotel hatte sie nicht gesprochen, und ich hatte das Thema nicht erwähnt. Ich starrte auf die Straße vor uns, dann blickte ich zu ihr. »Du bist doch sicher müde, oder?«
»Wohnst du nicht in Beverly Hills, Casey?«
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