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Fleischeslust - Erzaehlungen

Fleischeslust - Erzaehlungen

Titel: Fleischeslust - Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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Tagen. Je nachdem, wie Sie Ihre Möglichkeiten ausschöpfen, können das also bis zu sechzig Objekte sein. Die meisten Paare verlangen als erstes einmal ihr Bett, und um ihnen entgegenzukommen, berechnen wir das Bett als ein Objekt – Matratze, Lattenrost, Gestell und so weiter.«
    Julian faßt es nicht. »Sechzig Stück? Sie machen Witze.«
    »Ich mache keine Witze, Mr. Laxner. Niemals.«
    »Und was ist mit dem Rest – mit den Möbeln, der Stereoanlage, unseren Kleidern?«
    »Lesen Sie den Vertrag, Mr. Laxner.«
    Er fühlt, wie er abrutscht. »Ich will den Vertrag jetzt nicht lesen, verdammt. Ich habe Sie etwas gefragt.«
    »Seite zweihundertachtundsiebzig, Absatz zwei. Ich zitiere: ›Nach Ablauf der sechzigtägigen Gnadenfrist werden sämtliche Gegenstände zur Auktion freigegeben, deren Erlös an Certaine Enterprises fällt und wohltätigen Zwecken zuzuführen ist. Die Auswahl der wohltätigen Einrichtung obliegt ausschließlich dem oben erwähnten Unternehmen.« Ihr Blick fixiert ihn, grimmig, gehässig, triumphierend. Genau darum geht es also – andere Leute zurechtzustutzen, zu zerquetschen. »Sie wären überrascht, wie viele Paare überhaupt nichts zurückfordern, kein einziges Objekt.«
    »Nein«, sagt Julian und geht im Zimmer auf und ab, »nein, das lasse ich mir nicht gefallen. Nein. Ich gehe vor Gericht.«
    Sie zuckt die Achseln. »Ich will Ihnen gar nicht erst raten, sich selbst einmal zuzuhören. Sie reagieren wie ein verärgerter Junge auf dem Spielplatz – sobald Ihnen der Spielverlauf nicht gefällt, packen Sie Schläger und Ball ein und verziehen sich nach Hause, was? Na bitte, gehen Sie vor Gericht. Sie werden feststellen, daß es nicht leicht wird. Sie haben den Vertrag unterschrieben, Mr. Laxner. Alle beide.«
    Vor der offenen Tür entsteht Bewegung. Schatten und Licht. Marsha. Marsha und Dr. Hauskopf stehen reglos im Eingang und starren ihn an. »Julian«, ruft Marsha, und dann liegt sie in seinen Armen, klammert sich an ihn, als wäre er das einzige auf der Welt, das letzte, was ihr geblieben ist.
    Dr. Doris Hauskopf und Susan Certaine wechseln einen Blick. »Sie sollten sich glücklich schätzen«, sagt Susan Certaine nach kurzer Pause. »Denken Sie an das äthiopische Ehepaar.« Und dann sind sie weg.
    Julian weiß nicht mehr, wie lange er so dasteht, in der Mitte dieses kahlen Zimmers, in der Stille dieses großen leeren Hauses, und Marsha umarmt, seine Frau umarmt, aber wenn er die Augen schließt, sieht er nichts als die sterile Tiefe des Alls, die fernsten Regionen des Universums, in die nicht einmal das Licht vordringt. Und er weiß eines: Es ist kalt dort draußen, unwirtlich und fremd. Dort ist gar nichts, ein Nichts, das im Nichts enthalten ist. Absolut nichts.

Ohne Held
    Letzten Endes, durch Glück und Hartnäckigkeit und eine unerschütterliche Hingabe an den Geist von Glasnost, bekam sie doch noch, was sie wollte. Es war erstaunlich. Nur zwei Wochen vor Ablauf ihres Sechsmonatsvisums verliebte sie sich Hals über Kopf, wurde vom Wirbelwind einer Romanze dahingerafft und war bald darauf verheiratet – und noch dazu mit einem Amerikaner. Er hieß Yusef Ozizmir, war ein naturalisierter Staatsbürger aus einem kleinen Vorort von Ankara und arbeitete als Herstellungsleiter für eine Prothesenfirma mit Sitz in Culver City. Sie rief mich eines Nachts spät an, um mir die gute Nachricht mitzuteilen und ein bißchen mit ihren Flitterwochen in Las Vegas und der neuen Wohnung in Manhattan Beach zu protzen, die mit drei Schlafzimmern, riesigen Kleiderschränken und dem süßen, reinen Duft des Meeres aufwartete. Sie klang genau so, wie ich sie in Erinnerung hatte: dünnes Stimmchen mit dickem Akzent und jenem arhythmischen, kehligen, aber sinnlichen Kratzen, das jede Faser in mir munter werden ließ, als ich es damals zum erstenmal hörte – wie sie »Wodka« sagte, erregte mich immer noch, trotz allem, was passiert war.
    »Ich freue mich für dich, Irina«, sagte ich.
    »Oh«, stieß sie mit ihrer dünnen Stimme hervor, die durch die schlechte Verbindung noch dünner wurde, »das ist nett von dir, ich danke dir. Und Yusef, wie glücklich er mich gemacht hat. Er hat mir einen Vierundzwanzig-Karat-Goldring geschenkt und ein Lincoln-Automobil.«
    Eine Weile herrschte Schweigen. Ich sah mich in meiner Wohnung um: durchhängende Bücherborde, im Fernseher flimmerte eine romantische Komödie aus der Schwarzweißepoche, dahinter das dunkle Fenster. Ihre Stimme wurde noch dünner, zog sich

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