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Fleischeslust - Erzaehlungen

Fleischeslust - Erzaehlungen

Titel: Fleischeslust - Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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nicht geläufig war – wie sich herausstellte, das Wort für »Raupe« im Iban-Dialekt. Aber wer konnte schon die Verbindung herstellen zwischen den eingestürzten Dächern und der Tatsache, daß wir dreimal kurz mit dem Giftflieger übers Dorf gedüst waren?
    Nach ein paar Wochen haben unsere Leute die Sache dann geklärt. Das Präparat, mit dem übrigens die Anzahl der Moskitos exponentiell reduziert werden konnte, hatte leider die Nebenwirkung, auch eine kleine Wespe zu eliminieren – ich hab den wissenschaftlichen Namen irgendwo hier in meinem Bericht, falls er Sie interessiert –, die sich von einer bestimmten Raupe ernährt, die ihrerseits wiederum Palmwedel frißt. Tja, und als die Wespen weg waren, vermehrten sich die Raupen völlig ungehemmt und zerfraßen im Nu die Dächer, sehr bedauerlich, das gestehen wir ein, und wir mußten auch unser Budget stark überziehen, weil wir diese Dächer dann mit Wellblech erneuert haben... aber die Leute dürften glücklich damit sein, denke ich, auf lange Sicht jedenfalls, denn machen wir uns nichts vor, egal, wie eng man diese Palmwedel auch flicht, so gut wie Blech werden sie das Wasser nie abhalten. Sicher, man kann nicht alles haben, und wir kriegten dann eine Menge Beschwerden, weil der Regen so laut auf das Metall prasselte, die Leute nicht mehr schlafen konnten, und so weiter und so fort...
    Ja, Sir, das ist zutreffend – als nächstes kam die Fliegenplage.
    Nun, zunächst einmal müssen Sie das Ausmaß des Fliegenproblems in Borneo begreifen, das ist mit unseren Zuständen hier nicht zu vergleichen, außer vielleicht bei einem Streik der Müllabfuhr in New York. Da unten hat man den ganzen Tag lang ständig überall Fliegen – in der Nase, im Mund, in den Ohren und den Augen, Fliegen im Reis, in der Coca, im Singapore Sling und im Gin Rickey. Es ist zum Wahnsinnigwerden – ganz zu schweigen von den Krankheiten, die diese Viecher übertragen, von Amöbenruhr über Typhus bis Cholera und wieder zurück. Und nachdem die Moskitopopulation geschrumpft war, schienen sich die Fliegen besonders schnell zu vermehren, um die Lücke zu füllen – Borneo wäre nicht Borneo, wenn nicht irgendwelche verfluchten Insekten die Luft schwärzten.
    Nun hatten unsere Leute damals das Problem mit den Raupen und den Wespen und so weiter noch nicht so genau aufgedröselt, also dachten wir uns: mit den Moskitos hat’s doch prima geklappt, warum nicht gleich eine gründliche Bodenaktion hinterher? Und rauf mit dem Kompressor auf die Ladepritsche unseres Suzuki und die Hütten alle ausgesprüht, von den offenen Sickergruben gar nicht zu reden, die ja, wie Sie sicher wissen, ideale Brutstätten für Fliegen, Zecken und alle möglichen anderen stechenden Insekten sind. Immerhin lag unser Irrtum im Tun und nicht im Lassen. Wir haben’s wenigstens versucht.
    Ich hab selbst gesehen, wie es die Fliegen umgehauen hat. Eben noch schwirrten sie so dicht in meinem Wohnanhänger herum, daß ich meine Notizen nicht einmal finden konnte, geschweige denn damit arbeiten, und auf einmal versammelten sie sich alle an den Fenstern und taumelten wie betrunken herum. Am nächsten Tag waren sie weg. Einfach so. Von einer Million Fliegen im Anhänger auf null...
    Ja, aber das konnte doch niemand vorhersehen, Senator.
    Die Geckos fraßen die Fliegen, richtig. Sie alle wissen, wie Geckos aussehen, meine Herren? Das sind diese Eidechsen, die Sie im Urlaub auf Hawaii bestimmt schon beobachtet haben, sehr farbenprächtige Tiere, die in den Häusern Jagd auf Schaben und Fliegen machen, beinahe wie Haustiere, aber natürlich sind das wilde Kreaturen, das darf man nicht vergessen, und außerdem so ziemlich das Unhygienischste, was ich mir vorstellen kann – außer vielleicht Fliegen.
    Natürlich, Sir, aber vergessen Sie bitte nicht, daß wir das jetzt in der Rückschau betrachten und mittlerweile hundertprozentig informiert sind, aber damals hat doch kein Mensch einen Gedanken an Geckos und was die nun fressen sollen verschwendet – die Viecher waren nichts weiter als eine von vielen Begleiterscheinungen des tropischen Lebens. Moskitos, Eidechsen, Skorpione, Blutegel – was man sich nur vorstellen kann, das gibt’s da. Und als die Fliegen sich nun wie Treibgut auf den Fenstersimsen anhäuften, fielen die Geckos natürlich über sie her, stopften sich mit dem Zeug voll, bis sie aussahen wie dicke Würstchen, die an den Wänden entlangwuselten. Vorher flitzten sie immer so flink davon, daß man nie recht

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