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Fleischeslust - Erzaehlungen

Fleischeslust - Erzaehlungen

Titel: Fleischeslust - Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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sicher war, ob man sie überhaupt gesehen hat, aber plötzlich watschelten sie träge über den Boden, hockten reglos in den Ecken und klebten an den Luftschlitzen wie Magneten – und auch da hat noch niemand groß auf sie geachtet, bis sie auf einmal mit dem Bauch nach oben auf der Straße rumlagen. Das können Sie mir glauben, wir haben damit vieles bestätigt, was man über die Kumulation dieser Stoffe im Zusammenhang mit der Nahrungskette ahnte und auch über die Wirksamkeit – beziehungsweise Wirkungslosigkeit – gewisser Methoden, kein Zweifel...
    Die Katzen? Tja, da wurde es dann heikel, wirklich heikel. Sehen Sie, wegen einem Haufen toter Eidechsen hatte ja kein Mensch schlaflose Nächte – obwohl wir routinemäßig Tests durchführten, und diese Tests bestätigten auch unsere Vermutungen, nämlich daß der chemische Stoff in den Geckos konzentriert war, schlicht und einfach wegen der vielen vergifteten Fliegen, die sie gefressen hatten. Aber Echsen sind eine Sache und Katzen eine andere. Die Menschen dort sind in ihre Katzen richtiggehend verliebt – kein Haus, keine Hütte, egal, wie primitiv, wo nicht mindestens zwei Katzen rumlaufen. Es sind zwar ganz abgemagerte Viecher, langbeinige Gerippe, nicht wie die Tiere, die man bei uns hier sieht, aber egal, sie lieben ihre Katzen. Weil die Katzen nämlich eine Funktion haben – ohne Katzen hätten sie nämlich innerhalb einer Woche Unmengen von Ratten im Haus.
    Ja, genau, Senator, da haben Sie recht – genau das ist passiert.
    Sehen Sie, die Katzen hatten einen Riesenspaß mit diesen schlaffen Geckos – wer je selber eine Katze hatte, der kann sich vorstellen, welche Freude diese Tiere empfunden haben müssen, als sie diese ultrafixen Eidechsen sahen, gegen die sie sonst nie eine Chance hatten und die auf einmal auf dem Fußboden rumkriechen wie die Käfer. Tja, um es kurz zu machen, die Katzen fraßen alle toten und sterbenden Geckos im ganzen Land auf, ratzeputz – und dann fingen die Katzen an zu sterben... was mir persönlich ja immer noch nicht soviel ausgemacht hätte, wären da nicht die Ratten gewesen. Plötzlich waren überall Ratten – man konnte keine Straße entlangfahren, ohne ein halbes Dutzend auf einmal plattzuwalzen. Sie schissen die Getreidelager voll, ersoffen in den Brunnen, bissen schlafende Säuglinge in der Wiege. Aber das war nicht das Schlimmste, noch lange nicht. Nein, so richtig lief die Sache erst kurz darauf aus dem Ruder. Nach einem Monat erhielten wir die ersten vereinzelten Berichte über Beulenpest, und natürlich sind wir jedem einzelnen Fall nachgegangen und haben dafür gesorgt, daß diese Leute eine durchschlagende Behandlung mit Antibiotika kriegten, aber trotzdem sind ein paar gestorben, und die Ratten wurden immer mehr...
    Es war mein Plan, ja. Eines Nachts überlegte ich hin und her, die Ratten wuselten in meinem Wohnanhänger herum wie in einem billigen Horrorfilm, die Dorfbewohner waren in heller Panik wegen der Pestgefahr und einer ununterbrochenen Flut von hysterischen Meldungen aus dem Landesinneren – über Leute, die sich schwarz verfärbten, innerlich anschwollen und dann platzten, solche Geschichten eben. Na ja, wie gesagt, da hatte ich diesen Plan, die Lösung des Problems – nicht vollkommen, und billig war’s auch nicht –, aber in dieser Lage, da werden Sie mir beipflichten, mußte etwas getan werden.
    Am Ende haben wir sogar in Australien gesucht, um genügend Katzen aufzutreiben, aus Tierschutzheimen und so – obwohl wir die meisten in Indonesien und Singapur bekamen, insgesamt an die vierzehntausend Tiere. Billig war das natürlich nicht – wir mußten für die Katzen bezahlen, dann für den Flugzeugtreibstoff, die Überstunden der Piloten und noch etliches mehr –, aber uns war klar, daß es keine Alternative gab. Es war, als hätte sich die gesamte Natur gegen uns verschworen.
    Trotzdem, letztlich haben wir den USA doch eine Menge Freunde eingebracht, als wir dann die Katzen abgeworfen haben – und das hätten Sie sehen sollen, meine Herren, diese Miniaturfallschirme mit den improvisierten Gurten, gleich vierzehntausend davon: Katzen in allen Farben des Regenbogens, Katzen mit nur einem Ohr, gar keinem Ohr, einem halben Schwanz, mit drei Beinen, und Katzen, die einen Schönheitspreis in Springfield, Massachusetts, gewonnen hätten, und alle zusammen trudelten aus dem Himmel herab wie riesige, überdimensionierte Schneeflocken...
    Das war vielleicht ein Anblick. Wirklich.
    Natürlich

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