Fleischessünde (German Edition)
Bedrohung hätte ich sofort gespürt. Außerdem sind deine Energieschwingungen bei mir unvermindert angekommen.“ Malthus lächelte verlegen. „Ich dachte wirklich, du schläfst schon, und wollte dich nicht wecken.“
Calliope war wie vor den Kopf geschlagen. Roxy in Schwierigkeiten zu wissen weckte in ihr den Beschützerinstinkt. Am liebsten wäre sie losgestürmt, um mit dem Schwert, das sie gerade zurückerhalten hatte, jeden niederzumähen, der auch nur entfernt so aussah, als hätte er mit dem Verschwinden ihres einstigen Schützlings etwas zu tun.
Jahrelang war sie Roxys Mentorin in der Garde gewesen. IhrAuftrag war es gewesen, sie zu führen und zu trainieren. Irgendwann hatte sich Roxy so weit entwickelt, dass sie auf eigenen Füßen hatte stehen können. Mehr als das. Sie war zu einem überragenden Mitglied geworden. Und doch hatte Calliope nie vollständig den Impuls abstellen können, sich um sie zu sorgen. Roxy war für Calliope so etwas wie eine kleine Schwester.
„Und Dagan …?“ Kaum vorstellbar, wie er sich fühlte. Calliope wusste, wie sehr Dagan Roxy liebte. Nur zu genau erinnerte sie sich an die Szene, da Dagan sie selbst um Roxys willen gegen Gahiji verteidigt hatte. Die Art, wie er Roxy dabei angesehen hatte, würde sie nie vergessen.
„Dagan ist drauf und dran, jemanden umzubringen. Alastor genauso.“ Malthus starrte einen Moment lang leer vor sich hin. „Mir würde es nicht anders gehen.“
Calliope horchte auf.
„Die beiden haben sich schon auf den Weg gemacht. Und das sollten wir jetzt auch tun, damit wir bald zu ihnen stoßen.“
Sie schüttelte den Kopf. „Ich verstehe das alles nicht. Warum werden Roxy und Naphré entführt? Und wieso willst du, dass ich mitkomme? Du bist doch ohne mich viel schneller am Ziel. Ich kann mich doch hier nützlich machen. Ich könnte zum Beispiel versuchen, mit der Garde in Kontakt zu treten.“
„Nein.“ Malthus packte sie am Handgelenk und zog sie zu sich heran, wobei er ihr fest in die Augen sah. „Ich nehme dich mit. Bevor wir nicht herausgefunden haben, was zum Teufel da vor sich geht, weichst du keinen Schritt von meiner Seite. Ich werde dich keinen Moment aus den Augen lassen. Allein die Vorstellung, hierher zurückzukommen, und du bist nicht da …“ Seine Augen waren zu schmalen Schlitzen verengt, und um seine fest zusammengepressten Lippen zeichneten sich links und rechts scharfe Linien ab. „Du bleibst schön bei mir, meine Kleine.“
Calliope schluckte. Sie hatte verstanden – auch das, was unausgesprochen geblieben war. Er sorgte sich um sie. Auch wennihr das im ersten Augenblick ein wenig übertrieben vorgekommen war, schien die Gefahr real zu sein. Die Gefahr, dass keiner von ihnen zurückkehrte.
Er ließ ihre Hand los und wirkte erleichtert darüber, dass sie keine Anstalten machte, sich von ihm zurückzuziehen.
„Was weißt du von Roxy und Naphré?“, fragte sie. „Wer hat sie entführt? Und was wollen die?“
„Kennst du die Prophezeiung von der Rückkehr des Gottes? Das Blut der Isis und Sutekhs Blut, und der Gott wird die Zwölf Tore durchschreiten und wieder unter der Sonne wandeln …“
Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken. Sie konnte sich zwar nicht daran erinnern, diese Worte jemals gehört zu haben, doch kamen sie ihr irgendwie bekannt vor. Es war ihr, als müsste sie sie kennen. „Was bedeutet das?“
Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Das wüsste ich, verdammt noch mal, selbst gerne. Dagan und ich, wir denken, dass es darum geht, Sutekh zu erhöhen, ihm zu ermöglichen, dass er auf die Erde zurückkehrt.“
„Aber das wäre doch ein Bruch aller Regeln“, wandte Calliope ein. „Alle Götter der Unterwelt sind in ihr jeweiliges Territorium verbannt. Das ist das einzige Mittel, um Frieden unter ihnen zu halten. Und er hält seit sechstausend Jahren.“
„Schon. Aber angenommen, jemand nimmt die Prophezeiung Wort für Wort und ist entschlossen, sie umzusetzen. Das würde einiges erklären, angefangen bei den ermordeten Isistöchtern bis zurück zu Roxys Mutter. Auch die Rolle der Setnakhts in dieser Geschichte, die sich natürlich Sutekhs Rückkehr auf die Erde herbeisehnen. Stell dir vor, auf welch eine Belohnung die hoffen, würden sie helfen, das zu bewerkstelligen.“
„Aber das wirft mehr Fragen auf, als es beantwortet. Was ist mit dem Mord an deinem Bruder? Und warum verschwinden jetzt plötzlich Roxy und Naphré?“
„Der Mord ist leicht zu erklären. Wenn zur
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