Fleischessünde (German Edition)
schließlich herausgefunden hatte, dass sie längst gestorben war. Das hatte ihm fast den Rest gegeben. Auf jeden Fall hatte ihn das gelehrt, nicht mehr auf dieHoffnung zu setzen und stattdessen jeden Tag zu leben, wie er kam, und sich alles zu nehmen, was er nur bekommen konnte. Ständig auf Adrenalin. Er hatte gelernt, der Vergangenheit nicht nachzutrauern und keine Träume für die Zukunft zu hegen. Er lebte für den Moment, entschlossen, jeden Tropfen Genuss aus ihm herauszupressen, den er hergab.
„Es kann nur irgendein beschissener Gott der Unterwelt gewesen sein“, sagte Alastor halb zu sich selbst.
„Such dir einen aus“, entgegnete Dagan. „Wir haben genug davon. Isis, Osiris, Asmodeus, Xaphan …“
„… Izanami“, setzte Alastor die Reihe fort. „Obwohl ich persönlich nicht auf Izanami tippe.“
„Ach. Wir drehen uns doch im Kreis.“ Malthus war mehr danach, in die Oberwelt zurückzukehren und etwas zu tun, anstatt hier zu stehen und zu reden. Aber leider musste er wie die anderen auf Sutekh warten, der mit ihnen eine Lagebesprechung abhalten wollte.
Die Tür hinten im Audienzsaal öffnete sich, und ein Seelensammler trat ein. Es war Kai Warin. Er war ein gut aussehender Mann, etwa einen Meter fünfundachtzig groß, mit harten Zügen, dunklen Augen und dunklem Haar.
Malthus machte eine Kopfbewegung zum Ende des Saals, und sie gingen alle dorthin.
„Danke, dass du in Kuznetsovs Wohnung hinter mir aufgeräumt hast“, sagte Malthus.
„Hab ich gern getan“, antwortete Kai mit unbeweglicher Miene.
„Oh, ein ganzer Satz“, warf Dagan ein. „Du bist ja richtig gesprächig heute.“
Kai streifte ihn nur mit einem Blick, sagte aber nichts. Er redete tatsächlich nicht viel. Meist war er verschlossen und nachdenklich. Vielleicht war das der Grund, warum Sutekh ihn fast aus dem Nichts zu seiner rechten Hand befördert hatte, wo er jetzt Gahijis Stelle einnahm. Sie hatten sich alle über SutekhsWahl gewundert. Kai war noch keine fünfzig Jahre Seelensammler gewesen. Aber in diesen fünfzig Jahren hatte er kein einziges Mal Mist gebaut. Er war verlässlich wie ein Uhrwerk.
Malthus fiel es schwer, überhaupt noch jemandem zu trauen. Besonders angesichts der Tatsache, dass sich offenbar noch immer ein Verräter in ihren Reihen befand. Gahiji und seine beiden jungen Adjutanten waren wohl nicht die Einzigen, die hier ein doppeltes Spiel trieben, und solange dieser Zustand anhielt, verließ sich Malthus ausschließlich auf seine Brüder.
„Du hast mit Djeserit Bast gesprochen, bevor du ihre Seele geholt hast?“, erkundigte er sich bei Kai.
Er nickte kurz.
„Hat sie irgendetwas gesagt?“
„Hab’ Sutekh schon Bericht erstattet.“
„Hat sie Namen genannt?“
„Nur von Sterblichen. Keine Unterweltler.“
„Du lässt dir ganz schön die Würmer aus der Nase ziehen“, meinte Alastor und verfiel in seiner aufkommenden Ungeduld wieder in seinen prononcierten britischen Akzent.
Malthus hatte auch seinen Zungenschlag, aber der war nicht so hochgestochen wie Alastors Oxfordenglisch, sondern stammte aus der Gosse. Wie er selbst. Über die Jahre hatte sich sein Slang dann abgeschliffen, und inzwischen konnte er sich auch sprachlich jeder Umgebung anpassen, eine Fähigkeit, die ihm als notorischem Langfinger ausgesprochen zugutegekommen war.
„Erzähl uns doch einfach alles, was Djeserit Bast gesagt hat, bevor du ihr das Herz gestohlen hast“, schlug Malthus vor.
Kai starrte ein paar Sekunden vor sich hin, stieß die Luft durch die Nase aus und begann dann: „Sie hat was von Kuznetsov gefaselt. Dann hat sie eine Beschreibung von Gahiji gegeben und von den Marin-Brüdern erzählt. Und kurz bevor ich zugegriffen habe, brabbelte sie noch irgendeinen Mist, der absolut keinen Sinn ergab.“
„Was war das für ein Mist?“
„Etwas von einer Prophezeiung.“
Als Kai wieder verstummte, half Malthus beharrlich nach: „Geht es vielleicht etwas genauer?“
„Das Blut der Isis und das Blut Sutekhs. Dann wird der Gott die Zwölf Tore durchschreiten und wieder auf Erden wandeln.“
Die Brüder sahen ihn erstaunt an. Dann sagte Alastor mit einem milden Lächeln: „Na bitte, das ist uns allen doch schon eine große Hilfe.“
13. KAPITEL
Befreit mich von den Sperren auf meinem Weg errichtet, Von den Mächten der Finsternis.
Beschützt mich gegen die Kräfte des Bösen,
Ihre Schlingen und Fallen und grausamen Messer
Und alle unseligen Plagen, die gegen mich entfesselt sind, Von den
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