Fleischessünde (German Edition)
direkte Vorgesetzte. Sonst wusste absolut niemand von deinen Plänen?“ Zalika sprach jetzt so leise, dass Calliope genau hinhören musste, um sie zu verstehen.
Noch einmal ging Calliope im Geiste den Ablauf in allen Einzelheiten durch, wie sie es auf der Fahrt hierher schon Dutzende Male getan hatte, kam aber zu keinem anderen Ergebnis. „Nein.“
Sie musste an die Isis-Kartusche denken, die Malthus um den Hals getragen hatte. Sie war sich ganz sicher, dass sie sich nicht getäuscht hatte, und das eröffnete eine Möglichkeit, die so irrwitzig war, dass allein der Gedanke daran schon eine Ungeheuerlichkeit war. Unvorstellbar, dass es in der Isisgarde eine Spionin gab, die in Diensten von Sutekhs Seelensammlern stand.
„Vielleicht sollte man in Erwägung ziehen, dass es …“ Calliope brachte es nicht fertig, laut auszusprechen, was sie gerade gedacht hatte. „Zalika, irgendetwas stimmt hier nicht. Es sind nur noch Tage bis zum Treffen der Mächtigen der Unterwelt. Wir haben sichere Hinweise auf mindestens drei ermordete Isistöchter, wahrscheinlich sind es sogar mehr. Wir haben eine toten Reaper und keine Ahnung, wie es überhaupt möglich war, ihn zu töten. Dazu tauchen seit Neuestem Xaphan und Asmodeus in Zusammenhängen auf, in denen sie an sich nichts verloren haben.“
„Ich habe aus zweiter Hand erfahren, dass sogar Izanami tätig geworden ist und Verbindung zu Sutekh aufgenommen hat.“
Calliope blickte sich vorsichtig um, um sich zu vergewissern, dass sie unter sich waren. Dann senkte sie die Stimme und flüsterte: „Ich habe bestätigt bekommen, dass Izanami eine ihrer Shikome zu Sutekh geschickt hat.“Zalika hob erstaunt die Augenbrauen. „Woher weißt du das? Was wollte sie?“
„Es ging darum, dass Izanami eine Seele für sich beanspruchte, die von Naphré Kurata nach ihrem Ritus beerdigt worden war.“
„Welch eigenartiges Zusammentreffen. Erst Roxy Tam, die einzige Schülerin, die du bisher hattest, und nun Naphré, die ebenfalls zu dir gekommen wäre, hätte sie nicht vorher die Garde verlassen.“
„In der Tat merkwürdig.“ Noch merkwürdiger war, dass sie jetzt beide mit einem Reaper zusammenlebten. Irgendetwas musste das doch zu bedeuten haben. Dabei hatte ihre Vorahnung Calliope im Stich gelassen, worüber sie sich ebenfalls wunderte. Nicht den Hauch einer Ahnung hatte sie gehabt.
„Es ergeben sich zurzeit die wunderlichsten Allianzen“, sagte sie dann, „und alle hängen letztendlich mit dem Tod des Reapers zusammen. Ich habe keine Gewissheit, Zalika, aber mein Instinkt sagt mir, dass es immens wichtig ist, diesen Gedanken weiterzuverfolgen. Kannst du das für mich tun für den Fall, dass … ich das Gericht hier nicht überstehe?“
Zalika konnte die Möglichkeit eines solchen Ausgangs nicht leugnen. Sie wussten beide, dass Calliopes Lage sehr ernst war. Sie hatte ihre Entscheidungen getroffen. Und sollte sich herausstellen, dass diese für die Garde eine Gefährdung bedeutete, würde sie dafür einen hohen Preis bezahlen müssen.
„Setz dich mit Roxy Tam in Verbindung“, bat Calliope sie eindringlich. „Sie kann dich mit Naphré Kurata zusammenbringen.“
Zalika runzelte die Stirn. „Naphré hat die Garde schon vor langer Zeit verlassen, und bedauerlicherweise hat Roxy diesen Schritt inzwischen auch getan. Ich kann keiner von beiden trauen.“
„Ich habe vollstes Vertrauen in Roxy“, entgegnete Calliope. „Mit meinem Leben würde ich für sie einstehen.“
„Wie auch immer. Trotzdem gehört sie nicht mehr zu uns.“
„Du brauchst ihr ja gar nichts anzuvertrauen, was uns betrifft. Bitte sie einfach, dir zu erzählen, was sie weiß.“
„Mir ist bei dieser Sache nicht wohl. Es widerspricht auch meinem Pflichtgefühl. Die Garde hat für mich in jedem Falle Vorrang.“
„Für mich doch auch. Was wäre gerade darum dringender, als einen möglichen Verräter in den eigenen Reihen zu enttarnen? Eine Viper im eigenen Nest. Etwas Schlimmeres kann man sich gar nicht vorstellen.“
Zalika schloss für einen Moment die Augen und blickte Calliope dann gerade ins Gesicht. „Ich werde es tun“, sagte sie dann. Calliope wusste, dass sie sich auf dieses Wort verlassen konnte.
Sie setzten ihren Weg nach unten fort. War der obere Teil der Burg in seiner Größe schon gewaltig, war der unterirdische noch beeindruckender. Mit einem ausgeprägten Sinn für jedes Detail war das Hauptquartier angelegt. Überall fand sich die altägyptische Zahlenmystik wieder. Sieben
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