Fleischessünde (German Edition)
hinunterzustürzen. Über ihr erhob sich die Burg mit ihren Hunderten von Räumen und Hunderten von Frauen, die sie bewohnten und ohne Ausnahme der Isisgarde angehörten.
Aber von Zalika abgesehen hatte keine von ihnen sie begrüßt. Calliope war ins Haus eingetreten, als sich die Terrassentür geöffnet hatte, und war dann durch die langen Korridore geschritten. Keine der Frauen, an denen sie vorbeikam,hatte sie auch nur eines Blickes gewürdigt. Einen Grund dafür gab es nicht. Es musste ausdrücklich angeordnet worden sein. Und keine hätte es sich einfallen lassen, eine Anordnung nicht zu befolgen.
Die außerordentliche Disziplin der Garde funktionierte. Man war verschwiegen, man verhielt sich konspirativ. Nicht einmal die Ranghöchsten erhielten für ihre Missionen und Aufträge mehr als die notwendigsten Informationen. Was man nicht weiß, kann man auch nicht verraten, das war das Prinzip der Matriarchinnen. Selbstschutz nannten sie es.
Das hatte alles auch in Calliopes Sinne wunderbar funktioniert, etwa als sie Roxy Tam aus ihrer Pflicht entlassen hatte. Roxy stand auf den untersten Stufen der Sprossenleiter und konnte ohne Weiteres ihren Dienst quittieren, da sie in keines der Geheimnisse der Garde eingeweiht war.
Eingeweiht. Calliope hielt den Atem an, als sie an Malthus Krayl und daran dachte, wie sie sich gewundert hatte, dieses Wort aus seinem Mund zu hören. Erinnerungen wurden in ihr wach. Als er sagte, sie solle sich hinter ihm halten, hatte es fast so geklungen, als wollte er sie beschützen. Dann der flüchtige Kuss. Sein Lippen hatten ihre nur gestreift, so scheu … beinahe zärtlich. Dann hatte sie ihn zurückgelassen, als die Flammen schon an ihm emporgezüngelt hatten. Calliope unterdrückte einen Anflug von Reue. Immerhin war er ein Reaper. Was kümmerte sie sich darum? Er war ein notwendiges Opfer ihrer Mission. Oder meldete sich doch ihr Gewissen? Im tiefsten Innern musste sie sich eingestehen, dass sie nicht gerade sein Glücksstern gewesen war. Von der ersten Sekunde ihrer Bekanntschaft an hatte er allerhand auszustehen gehabt.
„Zalika“, sagte sie zu ihrer Mentorin, die sie nach unten begleitete, „in der Nacht, als ich Kuznetsov aufgegabelt habe, waren noch andere dabei.“
Zalika sah sie an. „Der Reaper, nicht wahr?“
„Ja, er. Aber noch mehr. Xaphans Bräute. Und davor warenauch noch zwei Topworld Grunts aufgetaucht, die für Asmodeus arbeiten.“
„Scheint ja eine erfolgreiche Party gewesen zu sein bei so vielen Gästen.“ Zalika presste die Lippen zusammen. „Ich frage mich nur, wer die alle eingeladen hat.“
Darüber hatte sich Calliope auch schon gewundert. „Genau das ist die Frage.“ Reiner Zufall konnte das nicht gewesen sein.
„Wer wusste von deinen Plänen?“, fragte Zalika und traf damit den wunden Punkt ihrer Schülerin. Als Calliope in Kuznetsovs Wohnung die Anwesenheit des Reapers irgendwo draußen gespürt hatte, hatte sie schon ein mulmiges Gefühl gehabt. Rückblickend wäre es vielleicht klüger gewesen, die ganze Aktion an diesem Abend abzubrechen. Aber vielleicht auch nicht. Denn wenn sie länger gezögert hätte, wäre ihr der Reaper zuvorgekommen und hätte sich den Setnakht-Priester geschnappt.
„Absolut niemand“, beantwortete sie die Frage.
Sie waren auf einem Treppenabsatz angekommen. Zalika blieb stehen und schaute sie fragend an.
„Ich habe mir den ganzen Ablauf wieder und wieder durch den Kopf gehen lassen“, fuhr Calliope fort. „Ich habe im Taxi kurz vorher noch mit Roxy telefoniert, aber kein Wort darüber verloren, wo ich war und was ich vorhatte.“ Selbst wenn sie Roxy etwas gesagt hätte, hätte Roxy garantiert nichts verraten. Darauf konnte sie sich verlassen, auch wenn sie jetzt mit einem Reaper liiert war. Aber das behielt Calliope lieber für sich. „Und auch sonst habe ich niemandem erzählt, dass ich mir in dieser Nacht Kuznetsov holen wollte.“
Zalika schien weiterhin skeptisch zu sein. „Mit niemandem? Auch mit niemandem in der Garde?“
„Na ja, das natürlich. Ich habe mich mit Sarita abgesprochen. Aber auch das über eine abhörsichere Verbindung von einem sicheren Ort aus. Später habe ich mich noch einmal über mein Handy bei ihr gemeldet, aber das war schon nach dem Aufeinandertreffen mit dem Reaper. Es ist ausgeschlossen, dass da jemandmitgehört hat. Außerdem haben wir nur in ganz allgemeinen, unverfänglichen Andeutungen über die Angelegenheit gesprochen.“
„Verstehe. Sarita ist deine
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