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Fleischessünde (German Edition)

Fleischessünde (German Edition)

Titel: Fleischessünde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eve Silver
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ausgegangen war. Dennoch hatte Pyotr sie getötet. Er duldete keinen Verrat.
    Da waren die Frauen, die er getötet hatte, Abkömmlinge von Isistöchtern, die ihr Erbe nicht angetreten hatten, die zwar noch die Blutlinie der Isis in den Adern hatten, welche aber im Laufe der Generationen schwächer und schwächer geworden war. Dennoch war ihr Blut wichtig für ihn gewesen, und Pyotr hatte es gehortet, unzählige tiefgefrorene Konserven, die er unter Verschluss verwahrt gehalten hatte.
    Ja, auch am Mord an Lokan Krayl hatte er seinen Anteil gehabt. Da war es um das Blut Sutekhs gegangen, das dabei geflossen war. Dies war jedoch ein Mord gewesen, für den er nicht allein verantwortlich war. Er hätte Lokan Krayl nicht allein töten können. Die Macht hatte er nicht. Aber trotz seiner Beteiligung konnte er nicht mehr sagen, wer der Hauptverantwortliche für den Tod des Sutekhsohns war, sosehr er seine Erinnerung auch bemühte. Jedes Mal, wenn er versuchte, sich zu erinnern, stieß er auf eine watteartige, dunkle Wand, die jedes weitere Vordringen verhinderte.
    Und doch musste er sich erinnern. Selbst jetzt, da er vor Angst fast wahnsinnig war, war ihm noch bewusst, dass sein Leben davon abhing, dass er den Mörder nennen konnte, wenn er danach gefragt wurde. Und es war sicher, dass er danach gefragt werden würde.
    Pyotr Kuznetsov stolperte und fiel. Er konnte sich gerade noch mit den Händen abstützen, bevor er merkte, dass hier Stufen begannen. Er hob den Kopf und sah, dass er am Fuß eines breiten, steinernen Treppenaufgangs stand, an dessen Ende …
    „Was siehst du?“ Die fremde Stimme klang melodisch und furchterregend zugleich und kam direkt aus Pyotrs Kopf. Ihm blieb gar nichts anderes übrig, als zu antworten.
    „Ich sehe eine gewaltige Steinsäule.“
    „Und weiter.“ Das war keine Anfrage, es war ein Befehl.
    „In den Stein sind Hieroglyphen eingeschnitten. Ganz oben sehe ich ein Ankh. Zu beiden Seiten der Säule ragen steinerne Träger heraus. An deren Enden hängen …“
    Es waren Ketten. Drei Ketten an jedem Ende, die jeweils eine Goldschale trugen.
    „Was siehst du?“
    „Ich sehe eine Waage.“ Ein eisiger Schauer fuhr Pyotr über den Rücken. Für einen Moment verschlug es ihm den Atem. Und er dachte, er würde nie wieder zu Atem kommen, so sehr schnürteihm die Angst den Hals zu. Es war, als würden seine Luftwege mit jedem Atemzug enger. „Warum …“ Pyotr schluckte. „Warum“, begann er erneut, „fragst du mich, was ich sehe?“
    „Reine Neugier. Es hat mich schon immer interessiert, was in den Köpfen der Sterblichen vor sich geht. Dazu gehört auch, was sie zu sehen glauben, wenn sie zu mir kommen.“ Es entstand eine längere Pause. „Komm zu mir, Pyotr Kuznetsov“, sagte die Stimme dann. „Pyotr Kuznetsov, der Hohepriester der Setnakhts, der ergebene Diener Sutekhs. Komm.“
    Pyotr versuchte, sich aufzuraffen, aber es misslang ihm. Schmerzhaft fiel er mit der Brust auf die scharfe Kante einer der Stufen.
    „Komm“, wiederholte die Stimme.
    Mit einem kläglichen Winseln unternahm er den nächsten Versuch, schließlich kroch er Stufe für Stufe die Treppe empor. Je höher er stieg, desto klarer wurde ihm, was ihn oben erwartete. Als er schließlich den Überblick bekam, gefror ihm das Blut in den Adern. Er hatte gehofft – er hatte darum gebetet, ins Reich Sutekhs, seines Herrn, zu gelangen, wenn es an der Zeit war. Jetzt sah er, dass seine Gebete nicht erhört worden waren.
    Oben stand neben dem mächtigen Träger der Waage ein Mann. Sein Körper war riesig und mit Muskeln bepackt, sein Kopf war der eines Schakals. Anubis . Neben ihm erblickte Pyotr das gewaltige Standbild einer Bestie mit ausgestreckten Vorderbeinen. Sie hatte den Körper eines Leoparden und den Kopf eines Krokodils.
    „Ammut, die Verschlingerin der Toten“, flüsterte Pyotr.
    Gleich darauf stellte er fest, dass es keine Statue war, sondern Ammut in eigener Person. Sie wohnte dem Gericht über die Toten bei, und wenn Anubis das Herz des Verstorbenen gegen die Feder von Maat, der Hüterin der Wahrheit und Gerechtigkeit, aufwog und die Schale mit dem Herzen sank, fraß Ammut das Herz auf. Das war dann das endgültige Ende jeder Hoffnung auf eine Fortexistenz.
    Ein Zittern am ganzen Leib überkam Pyotr, das ihm die letzte Kraft aus seinen Armen nahm. Er sank zusammen und lag ausgestreckt auf dem kalten Steinboden wie ein kriechender Wurm.
    „Ich …“, wollte er beginnen, aber die Erschöpfung und die

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