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Fleischessünde (German Edition)

Fleischessünde (German Edition)

Titel: Fleischessünde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eve Silver
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Angst ließen ihn kein weiteres Wort herausbringen. Noch einmal versuchte er, auf die Beine zu kommen, jedoch vergebens. Sein Oberkörper lag ausgestreckt auf dem Treppenabsatz, seine Beine hingen kraftlos die ersten Stufen herunter. Seine Muskeln fühlten sich viel zu weich an, seine Knochen auch. „Ich“, brachte er endlich mit Mühe hervor, „bin Sutekh versprochen. Ich stehe unter seinem Schutz.“
    Anubis starrte ihn lange aus Augen an, die wie schwarze Murmeln aussahen, ausdruckslos und unbarmherzig. „ Du hast dich Sutekh versprochen“, korrigierte der Totengott, „aber er hat dir nichts versprochen.“
    Der letzte Funken Hoffnung erstarb in Pyotrs Brust. „Bin ich … tot?“, brach es aus ihm hervor. Er kam sich, schon als er die Worte aussprach, unsagbar dumm vor. Das, was er bestätigt haben wollte, war offenkundig. Auch für ihn. Aber es ist eben allzu menschlich, sich an den letzten Strohhalm zu klammern.
    „Das bist du“, bestätigte Anubis.
    „Werde ich fortbestehen?“
    Anubis blickte ihn nur an und schwieg.
    Ein Schatten bewegte sich hinter der Säule, und wenig später trat eine Frauengestalt hervor. Sie war in ein fließendes, weißes, durchsichtiges Gewand gekleidet, das ihre Arme freiließ und einen Kontrast zu der Fülle ihres glatten, schwarzen Haars bildete. Das Wogen dieses Kleids unterstrich jede ihrer Bewegungen. Sie war von unbeschreiblicher Schönheit mit ebenmäßigen Zügen und einer starken Ausstrahlung. Ihre schwarzen, mit Kajal geschminkten Augen sahen ihn mit einer Spur von Bosheit an.
    „Isis“, flüsterte Pyotr tonlos. Sie war es, die Todfeindin seines Herrn, Mutter der Spezies, mit der er selbst in Feindschaft lag.Seine Hände waren mit dem Blut von Isistöchtern befleckt. Die Art, wie sie ihn anschaute, verriet ihm, dass sie jede einzelne seiner Taten kannte.
    „Mit eigener Hand hast du sie bluten lassen und ermordet“, bestätigte die Göttin sogleich diese Befürchtung. „Und auf deinen Befehl haben andere dasselbe getan. Deine Opfer waren Fleisch von meinem Fleisch, Blut von meinem Blut. Ich habe ihre Todesschreie gehört, ihr Seufzen und Klagen. Würdest du die Freundlichkeit haben, mir zu erklären, wozu du das getan hast?“
    „Die Prophezeiung.“ Wie von selbst kam diese Antwort von ihm. Isis hatte die Worte aus der Tiefe seiner Seele heraufbeschworen und ihn zum Sprechen gebracht, ohne dass er es selbst gewollt hatte. „Das Blut der Isis und das Blut Sutekhs.“
    „Sprich weiter.“ Isis kam ein Stück näher. Ihre Bewegungen waren fließend, der Ausdruck auf ihrem Gesicht gleichmütig und gefasst.
    Pyotr konnte den Blick nicht von ihr wenden. Selbst wenn er es gewollt hätte, hätte er ihr die Antwort nicht verweigern können. „Der Gott wird die Zwölf Tore durchschreiten und wieder auf Erden wandeln“, zitierte er die verheißenen Worte der Weissagung.
    Sie streifte ihn noch mit einem Blick. Der flüchtige Moment kam ihm wie eine Ewigkeit vor. Dann drehte sie sich um und ging. Pyotr schaute ihr nach, bis das weiße Gewand von der Dunkelheit hinter der Säule verschluckt wurde.
    „Du wirst nun gerichtet werden“, verkündete Anubis teilnahmslos. „Erhebe dich.“
    Pyotr sammelte all seine Willensanstrengung, um sich wenigstens auf die Knie zu richten, doch wieder versagten ihm die Kräfte. Mit einem qualvollen Wimmern sank er in sich zusammen. Aber ohne dass er gesehen hätte, wie er sich bewegt hatte, stand der Schakalköpfige plötzlich vor ihm, sodass die Füße in den Sandalen plötzlich dicht vor seiner Nase standen. Mit einem schnellen Griff packte Anubis ihn beim Schopf undzerrte ihn hoch. In der freien Hand blitzte ein Messer.
    Ein furchtbarer Schmerz durchfuhr Pyotr, so überwältigend, dass er nicht einmal die Luft oder die Kraft für einen Aufschrei fand. Anubis ließ ihn los und warf das von Blut triefende Herz auf die Waagschale. Für einen Moment hielt es mit der anderen Schale, auf der Maats Feder lag, die gleiche Höhe. Ganz langsam und allmählich begann dann die Seite mit Pyotrs Herzen zu sinken, bis die Goldschale, in der es lag, mit einem leisen Klingen auf den Steinboden stieß.
    Noch einmal wandte sich Anubis Pyotr Kuznetsov zu. Dann winkte er Ammut herbei.

20. KAPITEL
    Horus … nach dem Blutbad gibt er dir wieder
    Dein Haupt, dir wird es nicht genommen,
    In alle Ewigkeit.
    Nach dem Ägyptischen Totenbuch, Kapitel 166
    C alliope nahm einen vertrauten Geruch wahr. Es war Bohnerwachs, das, womit sie ihren Küchenfußboden

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