Fleischessünde (German Edition)
ich Elena. Sie bedeutete für mich Heiterkeit, Frieden, Beständigkeit – alles, was ich bis dahin nie kennengelernt hatte. Sie war einfach lieb und süß. Und unkompliziert.“
Er merkte, dass Calliope ihm einen skeptischen Blick zuwarf. Er war in ein Fettnäpfchen getreten, denn neben ihm auf dem Sofa saß eine Weltmeisterin in Sachen Komplikationen. Aber so war es eben. Er hatte keine Lust, nach Entschuldigungen zu suchen.
„Ich habe sie mit meinem ganzen jugendlichen Überschwang geliebt und war gleichzeitig noch viel zu unerfahren, um zu wissen, was Liebe bedeutet. Bald darauf bin ich wieder zur See gefahren, um mein Glück zu machen, zugegeben etwas …“ Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. „… etwas außerhalb der Legalität.“
Auch Calliope musste lächeln. „Kann ich mir vorstellen.“
„In meinen Träumen war ich der König der Piraten und Elena die Prinzessin auf meinem Schloss, mit Gold und Diamanten behangen und Perlen im Haar.“ Malthus fuhr Calliope mit der Hand durchs Haar. Wie Seide glitt es ihm durch die Finger. Für einen Moment war er ganz in dieses Gefühl versunken. „Als ich neun oder zehn Monate später zurückkehrte, war Elena nicht mehr da. Die Leute im Dorf erzählten sich die wildesten Geschichten, die sich allesamt widersprachen. Genaueres über ihr Verschwinden schien keiner zu wissen. Und so begab ich mich auf eine Suche, die sich über zehn Jahre hinzog.“
„Und du hast sie nie gefunden …“
„Jedenfalls nicht lebend. Ich habe es immerhin noch geschafft, sie zu begraben und über ihrem Grab eine Stele aufstellen zu lassen, eine Statue mit einem Engel. Sie hatte schon lange vor meiner Heimkehr den Tod gefunden. Eine Gruppe von Männernhatte sie verschleppt, vergewaltigt und anschließend umgebracht.“
Calliope griff nach seiner Hand und hielt sie fest.
Malthus fuhr in seiner Erzählung fort. Wenn sie wirklich etwas über ihn erfahren wollte, kam jetzt der entscheidende Teil. „Ich habe mich auf die Suche nach diesen Schweinen gemacht, aber leider war die Ausbeute dürftig. Die Rache, nach der ich dürstete, war größtenteils zu kalter Asche geworden. Sie waren zu siebt gewesen. Vier von den dreckigen Arschlöchern sind schon tot gewesen, bevor ich sie erwischen konnte.“
„Und die anderen drei?“
„Ich habe sie getötet. Langsam und mit Genuss. Ich habe ihnen einen schmerzvollen Tod bereitet. Zwei von ihnen konnten sich nicht einmal mehr an ihr Verbrechen erinnern. Nur der dritte, der hatte ein Andenken behalten. Elena hatte ihn im Gesicht gekratzt. Die Wunde hatte sich später entzündet, und eine Narbe war geblieben.“
„Als du mit Elena zusammen gewesen bist, warst du da schon Seelensammler?“
„Nein, da glaubte ich noch, ein Normalsterblicher zu sein.“
„Und als du die Männer getötet hattest?“
„Da hatte Sutekh mich schon geholt. Ich habe ihnen ihre Herzen herausgerissen und meinem Vater ihre Schwarzen Seelen gebracht.“ Er hielt inne, als ihm klar wurde, was er gerade gesagt hatte, und war unsicher, wie Calliope es aufnehmen würde. Aber ihr Gesicht zeigte keine Spur von Abscheu. „Das ist, wenn man so will, mein Job“, fügte er erklärend hinzu. Es hatte keinen Sinn, um den heißen Brei herumzureden.
„Ich weiß“, sagte sie.
Noch immer rätselte er darüber, was sie wirklich fühlte und dachte, wenn er ihr davon erzählte.
„Hast du noch ein schlechtes Gewissen?“, fragte sie dann.
„Du kommst gerne gleich auf den Punkt, nicht wahr?“
„Ja.“
„Also mit Elenas Tod habe ich abgeschlossen. Ich ergehe mich auch nicht in Selbstbeschuldigungen.“ Das war die Wahrheit. Er machte sich nicht mehr für den Tod seiner Geliebten verantwortlich. Und doch hatte dieser Verlust sein Leben danach beeinflusst. Beispielsweise darin, dass er mit ein und derselben Frau nie mehr als eine Nacht verbrachte und keine Gefühle für die jeweilige Partnerin an sich heranließ, außer dafür zu sorgen, dass sie ihre sexuelle Befriedigung fand.
Mit Calliope schien das nun etwas anderes zu sein. Er hatte keinen Namen für das, was er für sie empfand. Er wollte dem auch keinen Namen geben. Jedenfalls zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Er lehnte sich ein Stück zurück und sah sie von der Seite an. „Da wir gerade von Gewissensbissen sprechen … Wie sieht das denn bei dir aus? Irgendwelche Skrupel, dass du mein Leben gründlich durcheinandergebracht hast, seit ich dich im Club aufgegabelt habe?“
Calliope verzog spöttisch den Mund.
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