Flesh Gothic (German Edition)
höherer Gagen lebten wir auf ganz großem Fuß. Wenn das jemand für einen tut, betrachtet man ihn als Freund ... aber ...«
»Aber irgendetwas stimmte nicht«, beendete Westmore den Satz für sie.
»Nichts hat gestimmt, und wir alle hielten es für das Beste, nicht genauer darüber nachzudenken. Wir waren nicht mal mehr wirklich ein Filmunternehmen. Es kamen nur noch ein paar Titel pro Jahr raus, weil Hildreth das so wollte. Solange Rechnungen bezahlt werden, stellt niemand Fragen. In der Villa wurde genug Material gefilmt, um mehrere Hundert Streifen pro Jahr zu veröffentlichen, aber so gut wie nichts davon kam je auf den Markt.
Hildreth schien es nicht zu kümmern. Er hatte nicht in eine Pornoproduktion investiert, um damit Kohle zu verdienen, er brauchte uns für etwas anderes und das verdrängten wir alle äußerst erfolgreich. Wir waren zu beschäftigt damit, nachts wilde Partys zu feiern und tagsüber zu schlafen. Ja, wir alle wollten ihn für unseren besten Freund halten, weil er uns ein neues Leben geschenkt hatte. Dann fanden wir auf die harte Tour raus, dass alles nur auf den ersten Eindruck glänzte. Hildreth war ein exzentrischer Psychopath mit Unmengen von Geld, und er hat uns für seinen Wahnsinn benutzt.« Kurz verstummte sie und starrte weiter stur geradeaus. »Er schien der netteste Kerl der Welt zu sein, aber in Wirklichkeit war er der böseste Mensch, dem ich jemals begegnet bin.«
Diese neue Information weckte Westmores Neugier. »Er wollte Sie für etwas anderes? Wofür?«
»Ich bin mir nicht ganz sicher. Symbolik, glaube ich. Er hat immerzu von Symbolik gefaselt, der Symbolik des Fleisches, der Energie der Lust – einer stimulierenden Umgebung. Das klingt verrückt, nicht wahr?«
»Ja, und er war verrückt.«
»Davon bin ich nicht überzeugt.«
»Sie haben gerade gesagt, dass er böse und ein Psychopath war.«
»Beides ist nicht gleichbedeutend mit verrückt. Er war ... etwas anderes. Sie müssten dort gewesen sein, um zu verstehen, was ich meine. Ich schätze, Dreiei und Jaz sind ihm in dieser Hinsicht deutlich näher gekommen – die Männer.«
»Aber jetzt sind alle tot. Niemand ist übrig, um die Geschichte zu erzählen.«
Darauf erwiderte sie nichts. Ihre schlechte Stimmung lag wie ein Schatten auf ihr.
»Die Symbolik des Fleisches?«, fuhr Westmore fort. »Eine stimulierende Umgebung? Für mich klingt das verrückt. Was soll das alles bedeuten?«
»Das wusste nur Hildreth.«
»Ja, aber was denken Sie?«
»Warten Sie einfach, bis wir beim Haus eintreffen und Sie dort die erste Nacht verbracht haben.« Ihre Stimme wurde rau. »Es wird anfangen, in Sie einzusickern.«
Westmore verstand nicht, was sie damit meinte, aber er wollte sie nicht weiter bedrängen; sonst würde sie sich dauerhaft vor ihm verschließen. Das Thema schien sie anzustrengen. Wahrscheinlich rief es ihr die grauenhaften Erlebnisse des 3. April in Erinnerung zurück. Also sagte er stattdessen: »Ich freue mich schon darauf. Sie haben meine Neugier angestachelt.«
Weiteres Schweigen. Westmore ließ es dabei bewenden. Einkaufszeilen und der Verkehr zogen schemenhaft vor dem Fenster vorbei. Er versuchte, sich zu entspannen, den Kopf freizukriegen und schloss die Augen, um sie vor der Sonne zu schützen.
Einige Meilen später lachte sie verhalten und sagte: »Sie haben mich vorhin gefragt, ob ich wirklich übersinnliche Fähigkeiten besitze.«
»Und?«
Sie bog in einen lang gezogenen Waldweg ab.
»Ich nicht, aber die Leute, die Sie gleich kennenlernen werden.«
II
Nach einem ausgiebigen Bad in einer der luxuriösen Suiten im zweiten Stock spazierte Cathleen über das Grundstück. Sie hatte sich in solchen Situationen immer für praktisch veranlagt gehalten, aber jetzt ... fühlte sie sich unbehaglich. Allerdings erzählte sie niemandem davon, um nicht schwach oder verletzlich zu wirken. Das wollte sie unbedingt vermeiden. Aber sie spürte es ... sie spürte es auf der Haut.
Irgendetwas ist mit diesem Haus .
Während sie in der Sonne stand, schaute sie auf die Villa zurück. Ein Motorengeräusch durchbrach die Stille, und ein schwarzes Cabrio bahnte sich den Weg zum Außenhof vor dem Haupteingang herauf. Sie zupfte instinktiv einige Blütenblätter von einem einsamen Rhododendronbusch ab und ließ sie ins Gras zwischen ihren Füßen fallen, ohne dabei den Blick vom Auto abzuwenden. Es handelte sich um eine uralte, einfache Methode der Prophezeiung, die ihren Ursprung bei den Azteken hatte. Wiesen zwei
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