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Flieg, Hitler, flieg!: Roman

Flieg, Hitler, flieg!: Roman

Titel: Flieg, Hitler, flieg!: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ned Beauman
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gesagt: »Übrigens, hat Vater vielleicht die Termine durcheinandergebracht? In meinem Kalender sehe ich, dass die Olympischen Spiele in derselben Woche stattfinden. Das kann doch nicht sein, oder?«
    »O je, die Olympischen Spiele solltest du in seiner Hörweite lieber nicht erwähnen.«
    »Warum nicht?«
    »Es war ihm nicht klar, und dann hat Mummy es in der Zeitung gelesen und ihn informiert, und natürlich ist er jetzt zu stur, um die Tagung zu verschieben. Er sagt, die Olympischen Spiele sind reine Zeitverschwendung.«
    »Aber alle wichtigen Faschisten fahren nach Berlin, um dabei zu sein.«
    »Ja, genau. Aber zum Glück hasst Daddy all die ›wichtigen Faschisten‹, und übrigens ist es ein bisschen lächerlich, mit welcher Ehrfurcht du diesen Ausdruck benutzt. Allerdings hat er gehört, dass Mosley nicht zu den Olympischen Spielen fährt, sodass er vielleicht kommt.«
    »Aber Mosley hasst er ganz besonders.«
    »Ja, aber jetzt muss er jeden einladen, der ihm einfällt, denn sonst sitzen wir bei dieser ›Tagung‹ zu dritt da.«
    »Ich muss schon sagen, ich würde auch lieber zu den Olympischen Spielen fahren.«
    »Sei nicht albern, Phippy. Du hasst Sport.«
    Erskine konnte Sport in der Tat nicht ausstehen, aber Leichtathletik sah er sich gern an, und außerdem brannte er darauf, Hitler kennenzulernen. »Nicht immer, Evelyn.«
    »Ach so, du wirst nie erraten, wer sonst vielleicht noch kommt.«
    »Wer?«
    »Die Bruiselands.«
    »Leonard Bruiseland?«, sagte Erskine. Er war ein Vetter seines Vaters.
    »Nein, ich meine die ganze Familie.«
    »Alle?«
    »Die Frau natürlich nicht. Aber alle anderen. Es ist die reine Katastrophe.«
    Es war wirklich die reine Katastrophe. Aber wenigstens würde ihn Sinners Anwesenheit für die unvermeidlich schlechte Laune seines Vaters und für die schrecklichen Bruiselands entschädigen. Er ging in sein Labor, wo ihm einfiel, dass er das Rätsel des gesprungenen Glases noch immer nicht gelöst hatte. Konnte es Mrs.   Minton gewesen sein? Aber die Tür zum Labor war stets verschlossen, wenn sie kam. Als er noch grübelnd dastand, bemerkte er plötzlich ein wiederholtes lautes Klicken. Es kam aus dem bewussten Kasten. Er beugte sich hinab und konnte nicht glauben, was er sah. Ein Käfer warf sich immer wieder gegen das Glas, eine unwirkliche, ruckartige Bewegung, wie das Springen einer Grammophonnadel. Mit jedem Mal erzitterte das Glas, und der Sprung wurde größer. Und schon im nächsten Moment schoss der Käfer vor seinen Augen in einer Explosion von Glassplittern und Erde aus dem Behältnis und flog direkt zum gegenüberliegenden Tisch, wo ein Beutel mit lebenden Regenwürmern lag, die Erskine in einem Anglerladen in Richmond bestellt hatte. Mit einem kräftigen Schlag durchbohrte der Käfer den Beutel, der gleich darauf zu beben begann. Erskine schrie.
    »Roach! Roach! Kommen Sie her, um Gottes willen!«
    Sinner kam angerannt und starrte auf den Beutel.
    »Holen Sie ihn raus!«
    »Was soll ich rausholen?«
    »Den Käfer. Holen Sie ihn raus, bevor er entkommt. Aber töten Sie ihn nicht.«
    »Wie soll ich das denn machen?«
    Erskine wusste es nicht. Aber dann fiel ihm eine andere Lösung ein. »Nehmen Sie die Kiste aus meinem Schlafzimmer, kippen Sie alle Kleidungsstücke auf den Boden, und bringen Sie sie her.« Es war seine alte Süßigkeitenkiste, eine Truhe aus schwerer Eiche, die mit einem Schloss versehen war und in der er Bonbons, Kekse und Geld aufbewahrt hatte, als er in Winchester auf dem College gewesen war. Oft hatte er fantasiert, dass er sich selbst bis zum Ende des Schuljahres in ihr einschließen würde. Früher einmal hatte sie seinem Großvater gehört.
    Sinner befolgte Erskines hektische Anweisungen. Er holte die Truhe, nahm den Deckel von dem zerbrochenen Terrarium – »Ach, auf einmal darf ich das Drecksding anfassen, ja?« –, hob es an und kippte die Erde und die anderen Käfer in die Truhe, griff nach dem Beutel mit den Würmern, legte ihn auf die Schicht Erde, schloss die Truhe und setzte sich mit seinem ganzen Gewicht auf den Deckel.
    »Und was war das?«, fragte Sinner im Anschluss.
    »Das war Anophthalmus hitleri «, sagte Erskine und ging den Schlüssel für die Truhe holen. Er sah, dass ein Glassplitter in seiner Handfläche steckte. »Der erste seiner Art.«
    Erskine war klar, dass er das Exemplar genau untersuchen musste, und morgen würde er das tun. Aber in seinem Herzen wusste er bereits, dass er Erfolg gehabt hatte. In so kurzer Zeit war

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