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Flieg, Hitler, flieg!: Roman

Flieg, Hitler, flieg!: Roman

Titel: Flieg, Hitler, flieg!: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ned Beauman
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verfangen hat. (Im Gegensatz dazu besitzt Superman bekanntlich die Fähigkeit zu fliegen und hat schon lange die Gültigkeit der Newtonschen Gesetze hinter sich gelassen; folglich kann er sich in fröhlicher Unbekümmertheit über jeden störenden physikalischen Kontext erheben. Das ist der zweite Grund dafür, dass er sich hervorragend in die Architektur nach Le Corbusier einfügt; der erste und offensichtlichere ist natürlich sein übermenschliches Vertrauen in die Perfektionierbarkeit des Menschen. Das entbehrt nicht einer gewissen Komik, denn wenn es einen Mann gibt, der die ville radieuse wirklich erbauen könnte, dann ist es natürlich Lex Luthor.)
    Aber das geht am Eigentlichen vorbei. Das Eigentliche ist, dass es Orten wie Little Chef vollkommen an Glamour fehlt. Sie sind nicht einmal auf die richtige Weise dreckig. Batman würde hier lächerlich wirken. An seinen Stiefeln würde Kaugummi kleben. Das darf nicht sein. Grublocks strahlende Gebäudekomplexe dagegen sind für Leute gedacht, deren Niedertracht sich hauptsächlich in komplizierten Strategien zur vollkommen legalen Steuervermeidung niederschlägt – also sind sie auch nicht zu gebrauchen.
    Sie werden also verstehen, wie glücklich ich war, als ich dem Waliser in meiner Wohnung entkam, indem ich genau das tat, was Batman meiner Meinung nach getan hätte, wäre er nicht einer der sechs oder sieben größten Kampfsportler der Welt, sondern einer der weltweit sechs- oder siebenhundert Menschen, die an Trimethylaminurie erkrankt sind. Und Sie werden auch verstehen, wie glücklich ich war, zum zweiten Mal in Folge an Batman heranzureichen, als ich im Little Chef saß.
    Wir waren auf der M3 nach Westen gefahren, vorbei an riesigen Industriegebieten im Nieselregen, wo sich Männer in Overalls um die Ertragssteigerung kümmern wie Madenhacker auf einem Rhinozeros. Ich war mit Handschellen an den Becherhalter am Armaturenbrett gefesselt. Die Autobahn erinnerte mich mit ihrem unwirtlichen Beton an den Wohnblock, in dem ich lebe; auch sie schien eigens dafür entworfen, dem Wunsch aller Sterblichen nach Veränderung ihrer Umgebung Einhalt zu gebieten. An einer Kreuzung in der Nähe von Winchester verlangsamten wir neben einem abgezäunten dreieckigen Stück Ödland einen Augenblick lang unsere Fahrt, und ich sah einen Mann in einem blutverschmierten Anzug durch das hohe Gras humpeln.
    »He, wir sollten anhalten und ihm helfen.«
    Der Waliser antwortete nicht einmal. Er hatte stundenlang nicht gesprochen. Ich dachte an das Winchester College. Grublock hatte mir einmal erzählt, dass er dort die glücklichste Zeit seines Lebens verbracht hatte, obwohl er damals noch nicht so reich gewesen war. »Die Leute glauben, dass man in der Privatschule lernt, dem einfachen Mann gegenüber hartherzig zu sein, Fishy, aber das stimmt nicht«, fuhr er fort. »Ich bin dem einfachen Mann gegenüber nur deshalb hartherzig, weil der einfache Mann mir gegenüber so hartherzig ist.« In Wahrheit beruhte seine Einstellung auf zutiefst nietzscheanischen Überzeugungen, wie wir beide wussten, aber er war zufällig in Rechtfertigungsstimmung. »Wenn man heutzutage einer ›Verschwörung des internationalen Finanzwesens‹ Schuld an den Problemen der Welt gibt, würde man für einen atavistischen Spinner und sehr wahrscheinlich für einen Judenhasser gehalten werden, aber für gute Liberale ist es völlig akzeptabel, von ›reichen Baulöwen‹ zu sprechen, als seien wir alle im Bösen vereint. Ich nehme an, dass all die Leute, die behaupten, sie könnten keine Baulöwen leiden, in Häusern leben, die sie persönlich mit bloßen Händen auf jungfräulichem Boden erbaut haben. Ich nehme an, sie würden lieber so wohnen, wie du wohnst, Fishy. An einem Ort, der sich zur Architektur verhält wie ein Strafzettel für unerlaubtes Parken zur Literatur.« Ich verspürte den Wunsch, mein Zuhause zu verteidigen, zumal Grublock es nie mit eigenen Augen gesehen hatte, aber das war nicht einfach. Egal, was ich über Batman gesagt habe, ich kann viele Gebäude aus den Sechzigern gut leiden. Nur nicht das, in dem ich lebe. Vielleicht würde es mir besser gefallen, wenn es nicht den Eindruck machte, als sei nie beabsichtigt gewesen, dass jemand darin wohnt.
    Im weiteren Verlauf der Fahrt sagte ich zu dem Waliser: »Sie arbeiten für gar niemanden, stimmt’s? Sie arbeiten nicht für Grublock. Sie arbeiten nicht für die Japaner. Sie arbeiten nicht für die Ariosophen. Sie sind ganz einfach ein Sammler

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