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Flieg, Hitler, flieg!: Roman

Flieg, Hitler, flieg!: Roman

Titel: Flieg, Hitler, flieg!: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ned Beauman
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    »Und was machen wir, wenn wir angekommen sind?«, fragte ich.
    »Das weiß ich nicht genau. Wir suchen nach Indizien. Mr.   Grublock hat ja enormes Vertrauen in Ihr Geschick gesetzt, lange verloren geglaubte Dinge zu finden. Und wenn das stimmt, hoffe ich, dass wir eventuell herausfinden können, was dort im Jahr 1936 wirklich geschehen ist.«
    »Was soll das heißen, was dort wirklich geschehen ist?«
    »Claramore war der Schauplatz eines aufsehenerregenden Mordes«, sagte er, als das Haus in etwa einer Viertelmeile Entfernung in Sicht kam, ein gedrungener Haufen aus rotem Backstein und Marmor. Die Art, wie es sich als mächtiger Block erhob, hatte etwas vorausschauend Funktionales, und ich stellte mir vor, dass wir uns dem riesigen Prozessorkern näherten, der die Daten für den simulierten Wald um uns herum verarbeitete, oder dem Generator, der die Vögel und die Insekten und die schwankenden Wildgräser antrieb. »Die Polizei glaubte damals, den Fall gelöst zu haben, aber die Verdächtigen waren verschwunden und wurden nie wieder gesehen. Zwei Punkte sind anzumerken: Zum einen schienen alle, die etwas über den Fall wussten, davon überzeugt zu sein, dass die Polizei sich geirrt hatte. Zum anderen gab es außer den beiden Verdächtigen und natürlich der Leiche eine weitere Person, die nach dem Mord in Claramore nie wieder gesehen wurde: Seth Roach. Ich glaube, er war der wahre Mörder. Und ich glaube, dass er ebenfalls hier gestorben ist.«

DREIZEHNTES KAPITEL
    August 1936
    In den letzten Jahren seines Lebens schien Erasmus Erskine Claramore zu behandeln, als sei es bloß ein rostiger Kahn, der ihn zum Korallenhafen von Kumari Kandam bringen sollte. Vollauf damit beschäftigt, eine Reihe von Expeditionen an die Koromandelküste zu finanzieren, nahm er an dem verfallenden Sitz seiner Vorfahren keinerlei ernsthafte Reparaturen oder Verbesserungen vor, und auch die immer drängenderen Hinweise seiner Frau ignorierte er standhaft. Als er im Jahre 1912 starb, ging Claramore an seinen Sohn William über, der davon überzeugt war, dass die Dienstboten Vernünftigeres zu tun hätten, als eine Ruine abzustützen. Fasziniert von einer drei Tonnen schweren, von Hand gekurbelten Gezeitenvorhersagemaschine, die er im Admiralty Arch in London gesehen hatte, beschloss er, das Haus so gründlich zu modernisieren, dass es auch in hundert Jahren noch auf der Höhe der Zeit sein würde.
    Als William Erskine im Jahre 1915 nach Flandern aufbrach, war ein typischer Raum in Claramore daher auf mindestens sechs verschiedene Arten mit dem Wirtschaftstrakt des Hauses verbunden. So konnte man zum Beispiel seine schmutzige Kleidung in eine Art mit Schnitzereien verzierten Briefkasten im Schrank werfen, sodass sie über einen Schacht direkt in die mit Maschinen ausgestattete Waschküche geschickt wurde; man konnte den Telefonhörer abheben und mit einem Mädchen in der Zentrale sprechen, das den Anrufer zu jedem beliebigen Raum im Haus oder auf dem Gelände durchstellte; man konnte eine Düse in einen Stutzen an der Fußleiste stecken und damit eine verirrte Motte in die zentrale Vakuumpumpe unterhalb der Spülküche saugen. Erskine war auch sehr stolz auf seine pneumatischen Gepäcklifte, auf die Kammer zum Herstellen von Eis, auf die galvanischen Badewannen und den Maschinenraum. Béton , die radikale belgische Zeitschrift für Architektur, widmete der Mechanisierung von Claramore eine ganze Ausgabe, die auch einen wohlwollend rezipierten Aufsatz des Hausherrn beinhaltete, in dem er argumentierte, dass nur die Verehrung der Wissenschaft Spenglers düster heraufziehenden Untergang des Abendlandes abwenden könne.
    Als William Erskine jedoch 1918 aus Flandern nach Hampshire zurückkehrte, hatte er miterlebt, wie die Beine eines Mannes von den Ketten eines Panzers zermanscht worden waren. Das und Schlimmeres hatte er gesehen, und obgleich er in der Öffentlichkeit argumentierte, der Krieg habe seinen Glauben, nunmehr sei nichts wichtiger als die Technik, ohne jede Frage bestätigt, konnte er doch nicht verhindern, dass sich in seine privaten Ansichten eine gewisse feige Zwiespältigkeit einschlich. Auch hatte es während seiner Abwesenheit Probleme in Claramore gegeben. Durch einen unglücklichen Umstand schwangen zum Beispiel die Dampfturbinen im Energieraum und die Trockenschleuder in der Wäscherei wie in einer Teslaspule auf derselben Frequenz, und wenn sie beide mit voller Kraft liefen, knisterten

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