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Flieg, Hitler, flieg!: Roman

Flieg, Hitler, flieg!: Roman

Titel: Flieg, Hitler, flieg!: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ned Beauman
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und sie wäre schon gar nicht auf die Idee gekommen, nach Florenz durchzubrennen und sein ganzes Geld zu verjubeln. Trotzdem musste er zugeben, dass die englische Aristokratie letztlich nur sich selbst die Schuld für den Zustand ihrer Frauen und Töchter geben konnte – nur sich selbst, den Ausländern und der freien Presse.
    Erskine beendete sein kurzes Gespräch mit Bruiseland und ging in die Bibliothek. Die außerordentlich unangenehmen Unterredungen mit seinem Vater hatten stets hier stattgefunden, und selbst nach drei Jahren Cambridge konnte er sich des Gefühls nicht erwehren, dass in dem Geruch alter Bücher eine gewisse Bosheit lag.
    Sein Vater nickte zur Begrüßung und sagte: »Was hältst du da in der Hand?«
    »Meine Monographie des Pangäischen.« Erskine hatte sich noch nicht daran gewöhnt, wie grau das Haar seines Vaters geworden war. Davon abgesehen sahen sie sich recht ähnlich.
    »Das habe ich gehofft. Dann lass mal hören.«
    Erskines Vater setzte sich in den Sessel neben dem Blechhirn, während Erskine danebenstand und seine handgeschriebenen Seiten vorlas. Als er zum Ende gekommen war, sagte sein Vater: »Das ist nicht völlig unzulänglich. Wir könnten es abtippen und binden lassen.«
    Erskine lächelte stolz.
    »Nun zu etwas anderem. Deine Mutter sagt, du hast einen verflixten Diener mitgebracht. Was hat das zu bedeuten?«
    Erskine stammelte irgendetwas.
    »Zunächst einmal gebe ich dir nicht jeden Monat so viel Geld, damit du jemanden bezahlst, der dir deine Zeitungen bügelt. Und zweitens ist es indiskutabel, diesen Zwerg von einem Diener aus London mitzubringen, wenn du das Haus deiner Familie besuchst, wo es hervorragende Dienstboten gibt. Einige von ihnen haben sich schon um dich gekümmert, als du noch ein Baby warst und in die Windeln gemacht hast. Haben wir uns verstanden?«
    »Ja.«
    »Du wirst ihn zurückschicken.«
    »Das möchte ich lieber nicht«, sagte Erskine.
    »Das möchtest du lieber nicht? Nun, ich fürchte, es gibt unten kein Bett für ihn. Wenn du ihn nicht nach Hause schickst, wird er in deinem Zimmer schlafen müssen.«
    Erskine schluckte. Von der Bibliothek führte eine Tür hinaus zu dem Teich auf der Rückseite des Hauses, und am liebsten wäre er nach draußen gerannt und hätte sich zu den kleinen Enten gesellt. Sein Vater hatte die Drohung natürlich ausgestoßen, ohne im Geringsten zu erwarten, dass er sie wahrmachen müsste – er hatte lediglich unterstreichen wollen, dass Sinner nicht bleiben durfte –, aber Erskine sagte: »In Ordnung.«
    »In Ordnung?«
    »Lieber das, als ihn nach Hause zu schicken. In meinen Augen ist er unentbehrlich.«
    Erskines Vater hob die Augenbrauen. Erskine wusste, dass er zu stur war, um seine Aussage zu revidieren. »Also gut. Sage deiner Mutter, dass sie Tara anweisen soll, ein Klappbett in deinem Zimmer aufzustellen. Wir wollen mal sehen, wie lange du dieses Affentheater durchhältst. Aber ich möchte nicht, dass du dich bei deiner Schwester darüber beklagst, dass ich dich bestraft hätte. Du hast diese absurde Entscheidung ganz allein getroffen.«
    »Ja.«
    »Hast du wenigstens deine Rede für morgen fertig?«
    »Ja.«
    »Gut.«
    Erskine ging hinaus und ließ sein Manuskript zurück. Er beschloss, nach oben zu gehen und nachzusehen, ob Sinner sich um sein Gepäck gekümmert hatte. Auf der Treppe traf er auf einen sehr wohlgenährt wirkenden Morton.
    »Hallo, Erskine.«
    »Hallo, Morton.«
    »Schönes Haus.«
    »Ja. Wie geht es deinem Bruder?«
    »Gut.«
    Beide hatten das Gefühl, dass eine Bemerkung über die Verlobung angebracht sei, aber keiner hatte Lust, ein ganzes Gespräch über dieses Thema durchstehen zu müssen, sodass sie unentschlossen verweilten und sich ansahen, bis Erskine schließlich das leere Köfferchen anhob und sagte: »Ich muss das nach oben bringen.«
    »Gut.«
    »Wie war das damals noch, als du mir einen Fußball so fest gegen den Kopf geschossen hast, dass ich hingefallen bin? Du hast mir aufgeholfen und dich so wortreich entschuldigt, dass es mir peinlich war und ich die Sache mit einem Lachen abgetan habe. Dann hast du gewartet, bis ich weiterging, und es sofort noch einmal gemacht, und das vor der gesamten Startelf des Trinity College«, hätte Erskine gern hinzugefügt. »Wirst du so etwas immer noch tun, wenn du mein Schwager bist?« Aber er sagte kein Wort davon. Stattdessen ging er die Treppe hinauf und dachte darüber nach, was für »Drohungen« irgendjemand seinem Vater und Bruiseland

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