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Flieg, Hitler, flieg!: Roman

Flieg, Hitler, flieg!: Roman

Titel: Flieg, Hitler, flieg!: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ned Beauman
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dem Sofa saß, und zwei übertrieben affektierte, blassrosa glänzende Schlaffheiten, von denen das eine ein seidener Morgenmantel war, der das andere beinhaltete.
    »Hallo, Sinner«, sagte Millicent.
    »Du bist Erskines Junge«, sagte das übertrieben affektierte, blassrosa glänzende, schlaffe Etwas, das kein seidener Morgenmantel war. »Ich habe dich ankommen gesehen.«
    »Wer bist du?«, fragte Sinner.
    »Hat man dir nicht von mir erzählt? Ich bin das Monster auf dem Dachboden.«
    »Casper darf nicht nach unten«, warf Millicent ein. »Vater sagt, dass er eine chronische Krankheit hat. Battle muss ihm alle Mahlzeiten raufbringen. Es ist nicht sehr schön für ihn.«
    »Ja, mein Vater fühlt sich verpflichtet, mich mitzunehmen, wenn die Familie unterwegs ist, obwohl ich meinem Glücksstern danke, dass er sich dieses Mal wenigstens die Mühe gemacht hat, einen Raum mit Toilette für mich zu finden. Aber ich muss sagen, dass die liebe Millie immer sehr freundlich zu ihrem Bruder ist. Sie macht Besorgungen für mich«, sagte Casper und hob eine dicke braune Flasche mit polnischer Schrift auf dem Etikett in die Höhe.
    »Ist das was zum Saufen?«
    »Du kommst direkt zur Sache, wie ich sehe. Ja, das ist was zum Saufen. Möchtest du etwas davon? Ich habe jede Menge.«
    Sinner setzte sich in einen Sessel und nahm die Flasche von Casper entgegen, der eine andere für sich selbst öffnete.
    »Vorsicht damit. Das ist polnischer Honigmet. Sehr stark. Nicht unbedingt das Beste, was das Haus zu bieten hat, aber ich bitte Millie, nur Sachen zu stehlen, die sonst nie jemand trinken würde. Sonst könnte Battle es bemerken. Das Zeug macht dich im Handumdrehen fertig.«
    »Ich bin nicht so leicht fertigzumachen«, sagte Sinner übertrieben selbstbewusst, zum dritten Mal an diesem Abend. »Und mein Vater ist Pole.«
    »Ach wirklich? Dann mal na zdrowie !«
    Beide tranken. »Schon mal im Caravan gewesen?«, krächzte Sinner und wischte sich über den Mund. Er hatte es geschafft, nicht zu würgen, aber es fühlte sich an, als würde ihm gleich der Adamsapfel aus dem Hals fallen und die Treppe hinunterkullern.
    »Quäl mich nicht. Ich habe so viel darüber gehört.«
    »Du würdest da gut ankommen.« Allerdings nicht bei Sinner, der Caspers Typ nicht mochte.
    »Na, das hoffe ich doch. Du dagegen könntest bestimmt was Besseres an Land ziehen als meinen Vetter«, sagte Casper. »Du bist ein vollkommener Anblick, und er ist ein solches Insekt. Ich habe mich selbst mal an ihn rangemacht – nur aus Mitleid, weil ich glaubte, es würde ihm guttun –, aber er hat es nicht einmal bemerkt oder hat wenigstens so getan, als würde er es nicht merken. Evelyn und ich sind uns immer einig gewesen, dass ihr Bruder vollkommen glücklich wäre, wenn er sich nur eingestehen könnte, was allen anderen längst klar ist, aber er hat überhaupt kein Rückgrat. Es erstaunt mich wirklich, dass er den Mut hatte, dich mitzubringen. Es erstaunt und erfreut mich. Ich würde dir zweifellos Avancen machen, aber ich fürchte, dass ich seit geraumer Zeit in dieser Hinsicht so gut wie unfähig bin …«
    Mit seiner feuchten, spinnengleichen Stimme redete Casper unentwegt weiter. Nach etwa einer Stunde hatte Sinner seine Flasche geleert. Er blickte auf. Millie war irgendwann verschwunden, aber Casper hatte nicht aufgehört zu reden: »… und wenn es diesen dummen kleinen Börsencrash nicht gegeben hätte, wäre in Deutschland die Sodomie jetzt auch legal.« Ruckartig warf sich Sinner aus dem Sessel und kroch auf allen vieren zur Tür.
    Es war sechs oder acht Monate her, dass er etwas Stärkeres als Erskines Pseudo-Bier getrinken hatte, und er fühlte sich wieder wie ein Kind.
    »Ach, du gehst schon?«, sagte Casper. »Nun, es war eine Freude, dich kennenzulernen. Bestell Philip meine besten Grüße.«
    »Wirst du … wirst du echt weggeschlossen, weil du zu viel trinkst?«, lallte Sinner.
    »Weil ich zu viel trinke? Gott, nein. Wie du siehst, mein Lieber, kann ich recht viel vertragen. Ich habe mit jeder Trinkgemeinschaft in Oxford gespeist. Man kann dabei eine Menge lernen.«
    »Wieso denn dann?«
    »Ich bin immer wieder dabei erwischt worden, dass ich irgendeinem Landarbeiter einen runtergeholt habe. Vater stellte mich vor die Wahl: dies hier oder das Sanatorium.«
    Sinner torkelte die Treppe hinunter. Er konnte sich daran erinnern, dass er in Erskines Zimmer übernachten sollte, aber dorthin wollte er nicht gehen, und so beschloss er, einen Ort zu finden,

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