Fliege machen

die Höhe ragende Metallregale zu. Hier erinnerte das Ambiente an die
Verkaufshalle von IKEA.

    Konnte Fliege, der Penner, wirklich Chef eines solchen
Unternehmens gewesen sein?

    Ein kleiner Kerl in einem staubigen Blaumann hockte auf
einem Stapel Gerüstbretter. In der einen Hand hielt er eine Zigarette, in der
anderen eine Bierflasche. Er ging stark auf die Rente zu. Der Latz seiner Hose
überspannte seinen Kugelbauch, die grauen Haare hatte er im Nacken zu einem Pferdeschwanz
zusammengezurrt. Die Innenseite seines rechten Unterarms zierte eine miserabel
tätowierte nackte Frau.

    Â»Tach«, sagte Danner. »Sind Sie Freddie?«

    Â»Wer will ’n das wissen?«

    Danner hielt ihm seine Karte hin: »Ben Danner, private
Ermittlungen.«

    Â»Wenn Se der Rechtsverdreher von meiner Alten geschickt
hat, könn’ Se gleich wieder die Biege machen. Die sieht keinen Cent mehr von
mir.« Das Gesicht des Mannes wechselte die Farben wie eine Verkehrsampel. Rund
um seine große Nase traten violette Äderchen auf seinen geröteten Wangen
hervor, die mich an Fliege erinnerten.

    Â»Es geht um Edgar Guski«, bremste Danner die hochschwappende
Wut des Maurers aus.

    Â»Der Boss?« Freddie verstummte.

    Â»Sie kennen ihn?«, wollte Danner wissen.

    Â»Klaro.« Freddie zog kräftig an seiner Zigarette. »War ja
lange genug mein Chef, der Junge.«

    Â»Wissen Sie, wo wir Edgar Guski finden können?«

    Â»Nö.«

    Danner dachte einen Augenblick lang nach. »Würden Sie
Guski erkennen, wenn Sie ihn sehen?«

    Freddie musterte Danner misstrauisch. »Da können Se mal
von ausgehen. Wieso?«

    Â 

41.

    Die überdimensional große Schublade
öffnete sich mit einem lauten Rollgeräusch.

    Freddies Gesicht hatte mittlerweile deutlich an Farbe verloren,
verlegen fummelte er seinen Pullover über den blanken Busen seines
verblassenden Tattoos. Plötzlich schien ihm diese Jugendsünde peinlich zu sein
und deren Vertuschung mithilfe seines Ärmels erforderte seine gesamte Aufmerksamkeit.

    Staschek hingegen zückte sein Protokollheft. In Begleitung
der übermotivierten Frau Wegner hatte er uns hier Zutritt verschafft. Der Kopf
der Beamtin zuckte nervös auf ihrem langen, dünnen Hals hin und her. Sie war
für Flieges Fall zuständig, während Staschek als Leiter der gesamten
Mordkommission wohl eher aus persönlichem Interesse ein bisschen mitermittelte.

    Der dünne Mann, der uns Einblick in die Schublade gewährte,
sah aus, als fürchtete er das Sonnenlicht. Im weißen Kittel zum weißen Gesicht,
weißen Haaren und sogar weißen Wimpern wirkte er blutleer. In dieser Umgebung unheimlich.
Tatsächlich war er aber wohl einfach ein Albino.

    Er schlug ein Plastiklaken zur Seite.

    Es dauerte noch einen Augenblick, bevor Freddie es wagte,
aufzusehen.

    Fliege lag unnatürlich gerade auf der Metallfläche des
Kühlfachs. Sein Gesicht wirkte jetzt irgendwie entspannter, möglicherweise
waren die geschlossenen Augen der Grund dafür. Einen Teil des geronnenen Blutes
hatte man aus seinem Gesicht entfernt. Im grellen Flimmerlicht der Neonröhren
nahm seine Haut eine aschgraue Farbe an. Seine Nase und die darum verteilten
geplatzten Äderchen verdunkelten die Mitte seines Gesichts, die Bartstoppeln
hingegen schienen beinahe weiß.

    Der Blutleere hatte das Laken zu weit zurückgeschlagen,
sodass die Stelle sichtbar war, an der man Flieges Brust nach der Autopsie mit
einem stabilen schwarzen Faden zugenäht hatte.

    Â»Ist das Edgar Guski, Ihr ehemaliger Chef?«

    Freddie nickte, ohne seinen Blick von dem Toten abwenden
zu können.

    Staschek notierte.

    Damit war es amtlich: Der Penner hieß Edgar Guski. Beruf:
Baulöwe. Besitzer einer erfolgreichen Firma, einer dekorativen Frau und eines Gucci- Portemonnaies.

    Klang schizophren.

    Der Lichtscheue schob den toten Penner zurück ins Kühlfach.

    Â»Scheiße, Boss«, rief Freddie der im Dunkeln verschwindenden
Leiche nach. »Hätt ich nich jedacht, dass ausgerechnet du mal so endest.«

    Â 
    Staschek bedankte sich für die Hilfe des Maurers
und eilte mit wehendem Mantel und federnden Schritten davon. Die Wegner hastete
hinter ihm her.

    Freddie fummelte eine Packung Zigaretten aus der Tasche.

    Â»Kann ich Sie irgendwo absetzen?«, erkundigte sich Danner.

    Â»Nee, lass man, ich nehm den Bus.« Drei Versuche brauchte
der