Fliege machen
Zähne.
»Wer hat uns was nicht erzählt?«
»Die Chefin. Sie hat Ihnen nichts von dem Unfall erzählt?«
Der Unfall?
Beinahe konnte ich das Klicken hören, mit dem die Zahnräder
meines Gehirns ineinandergriffen. Der alte Zeitungsartikel! Der tote
Bauunternehmer! Na klar.
»Ihr Chef ist tödlich verunglückt«, schnallte ich endlich.
Deshalb war auch der Arbeiter unter dem Stapler so verärgert gewesen.
Danner warf mir einen verblüfften Blick zu.
»Es war für uns alle ein Schock.« Tränen schimmerten in
den Augen der jungen Frau. »Die Chefin muss Ihnen das doch erzählt haben?!«
Wieso eigentlich die Chefin? Wir sprachen hier doch von
Susi, von Susanne Thurna, deren Exmann Edgar Guski schon lange aus der Firma
verschwunden war. Wieso nannte die Sekretärin Susi noch immer ihre Chefin?
War sie anstelle ihres Exmannes in die Firma eingestiegen?
Hatte sie seine Anteile am Betrieb übernommen und seine Arbeit weitergeführt?
Oder � Ein ganz anderer Gedanke blitzte in meinem Kopf
auf. »Susanne Thurna ist die Frau Ihres verunglückten Chefs?«
Janine wühlte ein benutztes Taschentuch aus ihrer Jeans
und putzte sich lautstark die Nase. »Natürlich.«
Mann, die Geschichte klang wie aus dem Drehbuch einer
drittklassigen Seifenoper.
»Nachdem Edgar Guski verschwunden war, hat Susanne Thurna
seinen Geschäftspartner geheiratet?!«
Janine tupfte sich mit dem Taschentuch die Augen ab und
nickte. »Ich hab das natürlich nur von den Jungs mitgekriegt«, schniefte die
Sekretärin bekümmert. »Edgar Guski hat die Firma aufgebaut. Kalle Thurna war
sein Polier. Später, als Guski nur noch die Aufträge besorgt und mit den Kunden
verhandelt hat, ist Kalle mit eingestiegen. Dann war Guski plötzlich
verschwunden und Kalle hatte ein Problem. Der hatte keine Ahnung von
Buchführung und Werbung und so weiter. Und Susanne Guski stand allein da. Mit
drei kleinen Kindern. Muss echt ein Arschloch gewesen sein, der Guski.«
Mitfühlend streichelte Janine ihren Babybauch. »Kalle hat die Chefin damals
gefragt, ob sie sich um die Kundenkontakte kümmern könne. Die kannte ja alle Geschäftspartner
seit Jahren, war immer bei Geschäftsessen, Firmenfeiern, Richtfesten und so
weiter dabei gewesen. Die beiden haben den Laden zusammen geschmissen und sind
sich so nähergekommen. Sie haben geheiratet und Kalle hat Guskis Kinder
groÃgezogen ⦠Aber wie gesagt, ich weià das alles nur vom Hörensagen.«
»Kennen Sie denn jemanden, der noch mit Edgar Guski
persönlich zusammengearbeitet hat? Ist vielleicht einer der Angestellten schon
so lange in der Firma?«, wollte Danner wissen.
Janine Brinker steckte einen Kugelschreiber in den Mund
und klickerte ihr Piercing dagegen. »Ich glaube, Freddie war von Anfang an
dabei. War der Erste, den Guski eingestellt hat â auÃer Kalle. Warten Sie, ich
sehe mal eben in die Akten.« Mit dem Fuà zog sie einen Rollcontainer heran und
wuchtete eine dicke Akte auf den Schreibtisch.
Einen Moment lang blätterte sie in zerknickten, teilweise
losen Zetteln, dann tippte sie auf ein Blatt Papier. »Jawoll. Freddie ist schon
achtzehn Jahre hier beschäftigt.«
Ihr Blick wanderte zu einer Uhr, die an der Wand tickte.
»Die Maurer sind eben erst reingekommen. Freddie müsste
eigentlich noch da sein. Fragen Sie mal in der Halle nach ihm.«
Â
Wir traten aus dem Spanplattenbüro wieder in den
Lärm der Lagerhalle. Der Schwarznasige war unter dem Gabelstapler
hervorgekrochen und testete jetzt den Motor. Dröhnend pustete die Maschine
stinkende schwarzblaue Abgaswolken in die Halle. Weil das Rolltor inzwischen
geschlossen worden war, schwebten genug giftige Auspuffdämpfe durch die Luft,
um die gesamte Mannschaft in absehbarer Zeit zu vergasen.
»Wo finden wir Freddie?«, quatschte Danner den Staplerfahrer
noch mal an, als der den röhrenden Motor blubbernd ersticken lieÃ.
Seit unserem letzten Zusammentreffen vor einer Viertelstunde
hatte sich der Mann drei weitere Male im Gesicht gekratzt â am Kinn, an der
rechten Wange und über dem rechten Auge. Er musterte uns unverändert ärgerlich.
»Der hat eben das Gerüst abgeladen. Da hinten.«
Wir schlenderten in die ungefähre Richtung, in die der
Schwarznasige mit einem wenig präzisen Kopfnicken gedeutet hatte, auf gut vier Meter
in
Weitere Kostenlose Bücher