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Fliege machen

Fliege machen

Titel: Fliege machen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Flebbe
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Danner ab. »Es geht auch so. Seit
wann wohnen Sie hier?«

    Â»Neunzehn Jahre«, antwortete die Blondine.

    Neunzehn Jahre?

    Â»Aber 1996 hat doch Edgar Guski hier gewohnt, oder
nicht?«, sprach ich aus, was ich dachte.

    Â»Edgar?« Susis dunkel geschminkte Augen wurden erschrocken
groß.

    Sie kannte ihn!

    Â»Sind Sie mit Edgar Guski verwandt?«, fragte ich.

    Â»Wir – wir waren verheiratet … damals.«

    Sie?!

    Sie war doch nie im Leben mit Fliege, dem Penner, verheiratet
gewesen! Das Portemonnaie musste geklaut sein! Ich betrachtete Susis in zartem
Rosa schimmernde Fingernägel, denen man die zweistündige Hundert-Euro-Sitzung
im Nagelstudio ansah.

    Â»Wissen Sie, wo sich Edgar Guski aufhält?«, ließ ich
nicht locker.

    Â»Nein. Um ehrlich zu sein, interessiert es mich auch
nicht.«

    Â»Wir wissen vielleicht, wo Ihr Exmann …«, begann Danner.

    Â»Hören Sie auf! Der Trottel hat sich sicher schon lange
totgesoffen«, schnappte Susi wütend dazwischen. »Und wenn nicht, interessiert
mich das auch nicht mehr.«

    Wenn sie gewusst hätte, wie nah sie der Wahrheit kam,
hätte sie diese Worte sicher nicht gewählt.

    Timo trat schützend neben seine Mutter.

    Â»Wenn Sie es genau wissen wollen: Er hat mich sitzen gelassen,
damals. Mit drei kleinen Kindern und dem Riesenkredit für Firma und Haus. Ist
ohne ein Wort verschwunden, ich hab nie wieder was von ihm gehört. Das war –
vor fast zehn Jahren.«

    Susi fuhr sich durch die Haare, zerzauste ein paar Strähnen
ihrer perfekten Frisur.

    Allmählich musste ich es glauben: Fliege hatte wirklich
hier gewohnt. Er hatte eine Frau gehabt, ein Haus, er hatte drei Söhne. Und
dann war er geflohen aus diesem Leben. Und abgestürzt.

    Â»Entschuldigen Sie, aber ich will wirklich nicht mehr an
den Mistkerl denken.« Susis Stimme hatte einen heiseren Unterton bekommen. »Ich
muss jetzt los.«

    Â»Können Sie uns jemanden nennen, der uns mehr über Ihren
Exmann erzählen könnte?«, fragte Danner schnell.

    Susi bedachte ihn automatisch mit einem himmelblauen
Augenaufschlag. Tusse.

    Â»Versuchen Sie’s hier.« Sie nahm eine Visitenkarte von einem
kleinen Stapel auf einer Kommode im Flur. »Der eine oder andere wird sich
erinnern, denke ich.«

    Â 
    Wir hatten das erste Leben unseres Penners
gefunden. Ein Leben, in dem er eine attraktive Frau und drei Kinder gehabt
hatte. Unvorstellbar!

    Â»Wieso ist der so abgeschmiert?«, sprach ich meine Verblüffung
aus, kaum dass wir wieder auf der verkehrsberuhigten Straße standen.

    Â»Kann jedem passieren, würde Molle sagen«, bemerkte
Danner. »Ist aber die falsche Frage. Hat Flieges Vergangenheit irgendwas mit
seinem Tod zu tun? Müssen wir überhaupt darüber nachdenken oder können wir
unsere Zeit sinnvoller nutzen?« Er setzte seine Mütze wieder auf. »Ich seh
keinen direkten Zusammenhang. Wir könnten wahrscheinlich auch Origami-Enten
falten, statt uns damit zu befassen.«

    Ich unterdrückte ein Knurren.

    Dass Fliege vor einem knappen Jahrzehnt seine Familie
verlassen hatte, stand mit seinem Tod zehn Jahre später wohl nicht unmittelbar
in Zusammenhang. Engel wusste womöglich nicht mal von dieser zweiten Familie.

    Auch wenn ich mich fragte, warum Fliege derartig abgestürzt
war, nachdem sein Leben so solide begonnen hatte.

    Â»Andererseits haben wir im Augenblick nicht besonders
viele Spuren«, bemerkte Danner. »Ich schlage vor, wir sehen uns Flieges erstes
Leben zumindest mal an.«

    Â 

40.

    Â»Guski
Bau GmbH«, las ich laut vor, was auf der Visitenkarte stand.

    Danner lenkte die Schrottschüssel mit hundert Sachen über
den Ruhrschnellweg und eine knappe halbe Stunde später unter einem sehr großen,
hellblauen Torbogen hindurch.

    Das Ding hätte auch im mittleren Westen Amerikas den
Beginn der Broken Wheel Ranch ankündigen können. Beinahe erwartete ich, dass Fury wiehernd an uns vorbeigaloppierte.
Doch am gut vier Meter langen Querbalken hing ein blaues Bauschild mit dem
Aufdruck Guski Bau GmbH.

    Â»Für fünf Euro die Stunde schwarzgearbeitet hat Guski
hier nicht«, vermutete Danner. Er stoppte die Schrottschüssel vor einer lang
gezogenen Lagerhalle, neben der Bagger jeder Größe, Lkws, Betonmischer und
Bauwagen parkten. Halle und Fahrzeuge leuchteten im allgemeinen Firmenhellblau.

    Das Tor zur

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