Fliegende Fetzen
werden.
Die Soldaten lagen bereit. Wenn man sie überhaupt
Soldaten
nennen konnte. Er hatte ganz deutlich darauf hingewiesen, daß es an erfahrenen Leuten mangelte… Nun, er hatte nicht in dem Sinne darauf hingewiesen – dadurch konnte man in Schwierigkeiten geraten –, es aber wenigstens in aller Deutlichkeit gedacht. Die Hälfte der Truppe bestand aus jungen Burschen, die glaubten, daß man nur schreien und mit dem Schwert winken mußte, um dem Feind einen Schrecken einzujagen und ihn in die Flucht zu schlagen. Sie hatten es nie mit einem D’reg-Huhn zu tun bekommen, das in Augenhöhe heransauste.
Was den Rest anging… Während der Nacht hatten sich die Soldaten gegenseitig aufgelauert, deshalb waren sie jetzt so unruhig wie Erbsen auf einer Trommel. Einer hatte sein Schwert verloren und behauptete, daß er es in der Brust eines Fremden gesehen hatte, der einfach damit fortging. Außerdem sollte ein Felsen aufgestanden sein, um nach Leuten zu greifen und damit andere Leute zu schlagen.
Jetzt stand die Sonne schon ein ganzes Stück über dem Horizont.
»Das Warten ist das Schlimmste«, sagte der neben dem Kommandanten stehende Feldwebel.
»Vielleicht«, erwiderte der Kommandant vorsichtig. »Doch vielleicht ist es das Schlimmste, wenn die D’regs plötzlich erscheinen und dich mit ihren Schwertern in Stücke schneiden.« Kummervoll blickte er über den trügerisch leeren Sand. »Fast ebenso schlimm könnte es sein, wenn ein wahnsinnig gewordenes Schaf versucht, einem die Nase abzubeißen. Wenn man an all die Dinge denkt, die passieren können, wenn man es mit einer Horde heulender D’regs zu tun hat… dann bedauert man sicher, daß das
Warten
auf sie nicht ein wenig länger gedauert hat.«
Der Feldwebel war auf so etwas nicht vorbereitet. Deshalb sagte er schlicht: »Sie sind spät dran.«
»Gut. Je später, desto besser.«
»Die Sonne ist längst aufgegangen.«
Der Kommandant betrachtete seinen Schatten. Es war Tag, und glücklicherweise machte der Sand bisher keine Anstalten, sein Blut aufzusaugen. Er hatte lange genug verschiedene aufsässige Regionen von Klatsch befriedet und fragte sich jetzt, warum er immer gegen irgendwelche Leute kämpfen mußte, um ihnen Frieden zu bringen. Die Erfahrung hatte ihn gelehrt, auf Bemerkungen wie »Die Sache gefällt mir nicht; es ist zu ruhig« zu verzichten. Seiner Ansicht nach konnte es nicht zu ruhig sein.
»Vielleicht haben sie ihr Lager in der Nacht abgebrochen, Herr«, spekulierte der Feldwebel.
»Das sähe den D’regs gar nicht ähnlich. Sie laufen nie davon. Außerdem sehe ich ihre Zelte.«
»Warum greifen wir sie nicht an?«
»Du hast noch nie gegen D’regs gekämpft, oder?«
»Nein, Herr. Allerdings habe ich die Zornigen Savataren in Uhistan befriedet, und sie…«
»Die D’regs sind schlimmer, Feldwebel. Sie befrieden direkt zurück.«
»Ich habe noch nicht erwähnt, wie zornig die Zornigen Savataren waren, Herr.«
»Im Vergleich zu den D’regs können sie höchstens ein wenig verärgert gewesen sein.«
Der Feldwebel sah seine Reputation in Zweifel gezogen.
»Soll ich mit einigen Männern aufbrechen und kundschaften, Herr?«
Der Kommandant sah erneut zur Sonne. Die Luft schien bereits zu kochen.
»Na
schön.
Gehen wir.«
Die Klatschianer rückten in Richtung Lager vor. Ihre Blicke fixierten die Zelte und die kalte Asche von Lagerfeuern. Von Kamelen und Pferden war weit und breit nichts zu sehen. Eine Spur aus Abdrücken im Sand verschwand zwischen den Dünen.
Die Moral der Truppe hob sich. Einen gefährlichen Feind anzugreifen, der nicht da ist, gehört zu den attraktivsten Formen der Kriegsführung. Immer mutiger betonten die Soldaten, daß die D’regs von Glück sagen konnten, rechtzeitig geflohen zu sein. Sehr phantasievoll ließen sich die Klatschianer darüber aus, was sie mit den D’regs angestellt hätten, wenn ihnen der Gegner in die Hände gefallen wäre…
»Wer ist das?« fragte der Feldwebel.
Eine Gestalt erschien zwischen den Dünen: ein Mann, der mit wehendem weißem Umhang auf einem Kamel ritt.
Er stieg ab, als er die Klatschianer erreichte, und winkte ihnen zu.
»Guten Morgen, meine Herren! Darf ich euch vorschlagen zu kapitulieren?«
»Wer bist du?«
»Hauptmann Karotte, Herr. Wenn ihr nun so freundlich wärt, eure Waffen niederzulegen… Dann kommt niemand zu Schaden.«
Die Landschaft veränderte sich. Punkte erschienen auf den Dünen, und nach einer Weile erkannte der Kommandeur sie als Köpfe.
»Das
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