Fliegende Fetzen
den Tisch.
Rust wölbte die Brauen. »Du auch, Hauptmann?«
»Ja, Herr.«
»Ich hätte gedacht, daß wenigstens du …«
Er brach ab und drehte verärgert den Kopf, als sich die Tür öffnete.
Zwei Palastwächter kamen herein, gefolgt von einigen Klatschianern.
Die Ratsmitglieder erhoben sich rasch.
Mumm erkannte den Klatschianer in der Mitte der Gruppe. Er hatte
ihn bei offiziel en Anlässen gesehen, und wenn er kein Klatschianer ge-
wesen wäre, hätte er ihn für einen verdächtigen kleinen Halunken gehal-
ten.
»Wer ist das?« flüsterte er Karotte zu.
»Prinz Kalif, der stellvertretende Botschafter.«
»Noch ein Prinz?«
Der Mann blieb vor dem Tisch stehen und sah kurz zu Mumm, verriet
jedoch nicht, ob er ihn erkannte. Dann wandte er sich an Rust und deu-
tete eine Verbeugung an.
»Prinz Kalif…«, sagte Lord Rust. »Du kommst unangemeldet, aber…«
»Ich bringe schlechte Nachrichten, Lord.«
Mumm war noch immer halb betäubt, doch ein Teil von ihm stellte
den Unterschied in der Stimme fest. Khufurah hatte seine zweite Spra-
che auf der Straße gelernt, doch dieser Klatschianer war von Lehrern
unterrichtet worden.
»Ich fürchte, derzeit gibt es überhaupt keine guten Nachrichten«, erwi-
derte Rust.
»Es gab gewisse Ereignisse auf dem neuen Land; bedauerliche Zwi-
schenfäl e. Und auch hier in Ankh-Morpork.« Erneut blickte Kalif kurz
zu Mumm. »Obwohl ich gestehen muß, daß mir widersprüchliche Be-
richte vorliegen. Ich sehe mich gezwungen, dir folgendes mitzuteilen,
Lord Rust: Wir befinden uns im Krieg, genaugenommen.«
»Genaugenommen?« wiederholte Mumm.
»Die Ereignisse haben eine gewisse Eigendynamik entwickelt«, fügte
Kalif hinzu. »Die Situation ist sehr… problematisch.«
Sie wissen, daß sie in den Kampf ziehen werden, dachte Mumm. Dies
ist wie der Beginn eines Tanzes, bei dem man zunächst Abstand wahrt
und sich den Partner ansieht…
»Ich muß dich auffordern, innerhalb von zwölf Stunden al e deine
Bürger von Leshp abzuziehen«, sagte Kalif. »Wenn das geschieht, muß
die gegenwärtige Krise nicht sofort zu einem Konflikt führen.«
»Unsere Antwort lautet: Wir geben euch zwölf Stunden Zeit, um Leshp zu verlassen«, erwiderte Rust. »Wenn ihr euch weigert, bleibt uns leider
nichts anderes übrig, als gewisse… Maßnahmen zu ergreifen.«
Kalif verbeugte sich kurz. »Wir verstehen uns. Man wird dir in Kürze
ein offizielles Dokument bringen, und bestimmt bekommen wir auch
eins von dir.«
»In der Tat.«
»He, Augenblick mal, ihr könnt doch nicht einfach…«, begann Mumm.
»Sir Samuel, du bist nicht mehr Kommandeur der Wache und hast da-
her kein Recht, hier zugegen zu sein«, sagte Lord Rust scharf. Er wandte
sich wieder an den Prinzen.
»Ich bedauere sehr, daß es hierzu kommen mußte«, sagte er steif.
»Ich ebenfalls. Aber leider ist irgendwann der Zeitpunkt erreicht, an
dem Worte nicht mehr genügen.«
»Da stimme ich dir zu. Wenn dieser Zeitpunkt erreicht ist, bleibt einem
nichts anderes übrig, als die Kräfte zu messen.«
Mit einer Mischung aus Faszination und Entsetzen wechselte Mumms
Blick zwischen den beiden Gesichtern hin und her.
»Natürlich geben wir euch Zeit genug, eure Botschaft zu schließen. Be-
ziehungsweise das, was von ihr übrig ist.«
»Sehr freundlich. Die gleiche Möglichkeit bieten wir euch.« Kalif ver-
beugte sich erneut.
Rust folgte seinem Beispiel.
»Zwar befinden sich unsere Länder im Krieg, aber das ist noch lange
kein Grund, warum wir beide uns nicht als Freunde respektieren sol ten«,
sagte er.
»Was? Und ob das ein Grund ist!« entfuhr es Mumm. »Ich fasse es einfach nicht! Ihr könnt doch nicht einfach dastehen und… Meine Güte,
was ist mit der Diplomatie passiert?«
»Der Krieg, Mumm, ist die Fortsetzung der Diplomatie mit anderen
Mitteln«, verkündete Lord Rust. »Darüber wüßtest du Bescheid, wenn du
ein Gentleman wärst.«
»Und ihr Klatschianer seid genauso schlimm«, fügte Mumm hinzu.
»Vermutlich liegt’s an dem grünen, schimmeligen Hammelfleisch, das
Jenkins euch verkauft. Ihr leidet an Schafswahnsinn. Bei den Göttern, ihr
könnt doch nicht…«
»Sir Samuel, du bist inzwischen Zivilist, worauf du selbst deutlich ge-
nug hinweist«, erwiderte Rust. »Als solcher hast du hier nichts zu su-
chen!«
Mumm salutierte nicht, drehte sich einfach um und verließ den Raum.
Die übrigen Wächter folgten ihm stumm zum Pseudopolisplatz.
»Ich habe ihm gesagt, er könne
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