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Fliegende Fetzen

Fliegende Fetzen

Titel: Fliegende Fetzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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geschieht so etwas tatsächlich? Ich dachte immer, so
    zeichnet man Schlachtpläne!«
    »Nun, der alte Herzog ging immer wie nach dem Lehrbuch vor… Wie
    dem auch sei: Letztendlich geht es darum, sich den Rücken freizuhalten
    und auf jeden Burschen einzudreschen, der die falsche Uniform trägt.
    Aber…« Colon verzog gequält das Gesicht. »Wenn man Polizist ist…
    dann fäl t es manchmal sehr schwer, die Guten von den Bösen zu unter-
    scheiden, jawohl.«
    »Es gibt doch auch militärische Gesetze, oder?« fragte Angua.
    »Nun, ja. Doch wenn’s in Strömen regnet und man bis zu den Ei… bis
    zur Hüfte in toten Pferden steckt und wenn man unter solchen Umstän-
    den einen Befehl bekommt… dann kann man nicht in irgendeinem Re-
    gelbuch nachsehen, Verehrteste. Außerdem geht es in den meisten mili-
    tärischen Gesetzen darum, wann es erlaubt ist, erschossen oder erschla-
    gen zu werden.«
    »Oh, ich bin sicher, daß noch mehr dahintersteckt, Feldwebel.«
    »Da hast du vermutlich recht«, räumte Colon diplomatisch ein.
    »Bestimmt geht es bei den betreffenden Gesetzen auch darum, keine
    feindlichen Soldaten zu töten, die sich ergeben haben.«
    »Oh, ja, natürlich, das stimmt, Herr Hauptmann. Aber es kann natür-
    lich nicht verboten sein, sie ein wenig hart ranzunehmen und ihnen et-
    was zu geben, an das sie sich später erinnern.«
    »Du meinst doch nicht etwa Folter ?« fragte Angua.
    »Oh, nein. Aber…« Für Fred Colon führte die Straße der angenehmen Erinnerungen jetzt durch ein dunkles Tal. »Ich meine, wenn der beste
    Kumpel gerade einen Pfeil ins Auge bekommen hat und wenn überall
    um einen herum Pferde wiehern und Männer schreien und wenn man
    die Hosen vol hat vor Angst, ich meine, wenn man wirklich voller Angst steckt und dann auf den Feind stößt… Unter solchen Umständen verspürt man manchmal den Wunsch, ihm einen… kleinen Stups zu geben,
    sozusagen. Damit er in zwanzig Jahren an kalten Tagen ein dumpfes
    Prickeln im Bein spürt und sich an das erinnert, was er angestellt hat.«
    Colon kramte in der Tasche, holte ein ziemlich kleines Buch hervor
    und hob es hoch.
    »Dies gehörte meinem Urgroßvater«, sagte er. »Er nahm an dem klei-
    nen Streit teil, den wir mit Pseudopolis hatten. Und meine Urgroßmutter
    gab ihm dieses Gebetbuch für Soldaten, weil ein Soldat alle Gebete ge-
    brauchen kann, die es gibt, glaubt mir, und er steckte es in die oberste
    Tasche seiner Jacke – einen Brustharnisch konnte er sich nicht leisten –,
    und am nächsten Tag beim Kampf… Plötzlich kam ein Pfeil aus dem
    Nichts – zack! –, bohrte sich ins Buch und hielt erst an der letzten Seite.
    Das Loch ist ganz deutlich zu erkennen.«
    »Eine Art Wunder«, kommentierte Karotte.
    »Ja, ich glaube, so kann man es nennen«, pflichtete ihm Colon bei. Er
    blickte kummervoll auf das kleine Buch hinab. »Bei den anderen sieb-
    zehn Pfeilen hatte mein Urgroßvater nicht soviel Glück.«
    Das Trommeln verklang in der Ferne. Die Wächter vermieden es, sich
    anzusehen.
    Dann ertönte eine gebieterische Stimme: »Warum trägst du keine Uni-
    form, junger Mann?«
    Nobby drehte sich um. Die Worte stammten von einer älteren Frau,
    deren Gesicht an einen Truthahn erinnerte. Ihr strenger Blick schien
    bereit zu sein, die Todesstrafe zu verhängen.
    »Meinst du mich? Ich habe bereits eine.« Nobby deutete auf seinen
    verbeulten Helm.
    »Eine richtige Uniform«, sagte die Frau scharf und reichte ihm eine wei-
    ße Feder. »Was willst du unternehmen, wenn die Klatschianer kommen und uns in unseren Betten schänden?«
    Sie bedachte den Rest der Wache mit einem finsteren Blick und eilte
    weiter. Angua bemerkte einige weitere Frauen ihrer Art unter den Zu-
    schauern. Hier und dort blitzte es weiß.
    »In einem solchen Fal wäre ich bereit, die Klatschianer für sehr mutig
    zu halten«, sagte Karotte. »Übrigens, Nobby: Die weiße Feder sol dich
    beschämen und dazu bringen, ebenfal s Soldat zu werden.«
    »Oh, wenn nicht mehr dahintersteckt…«, erwiderte Nobby, der sich
    von Natur aus nicht schämen konnte. »Was sol ich damit anfangen?«
    »Da fällt mir ein…«, hub Feldwebel Colon aufgeregt an. »Habe ich
    euch schon erzählt, welche Worte Lord Rust von mir zu hören bekam?«
    »Schon siebzehnmal«, erwiderte Angua und beobachtete die Frau mit
    den Federn. Wie im Selbstgespräch fügte sie hinzu: »›Kehr mit deinem
    Schild oder darauf zurück.‹«
    »Ob die Frau wohl bereit ist, mir noch mehr Federn zu geben?«

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