Fliegende Fetzen
he-
rauszufinden?«
Die Kutsche bahnte sich einen Weg durch die Menge der Wartenden
am Dock. Hinter ihr schloß sich die entstandene Schneise wieder.
»Kisten werden entladen. Leider kann ich keine Einzelheiten erken-
nen.« Karotte hielt sich die Hand über die Augen. »Die Leute würden es
bestimmt verstehen, wenn…«
71-Stunden-Ahmed betrat den Kai und sah zu den Wächtern zurück.
Es schimmerte kurz, als er lächelte. Sie beobachteten, wie er die Hand
zur Schulter hob und nach dem großen krummen Schwert griff.
»Ich kann ihn nicht einfach so entkommen lassen«, sagte Karotte. »Er
ist ein Verdächtiger! Und jetzt lacht er über uns!«
»Er genießt diplomatische Immunität«, erwiderte Angua. »Und er weiß
viele Bewaffnete in der Nähe.«
»Ich verfüge über die Kraft von zehn, weil ich reinen Herzens bin«,
verkündete Karotte.
»Tatsächlich? Das dort unten sind elf.«
71-Stunden-Ahmed warf das Schwert hoch in die Luft. Es drehte sich
zweimal mit einem Geräusch, das nach Wumm-wumm klang. Dann streck-te er die Hand aus und fing das herabfal ende Schwert am Heft auf.
»Genau das hat Herr Mumm gemacht«, brachte Karotte zwischen zu-
sammengebissenen Zähnen hervor. »Er verspottet uns…«
»Wenn du das Schiff betrittst, bist du so gut wie tot«, sagte der hinter
ihnen stehende Herr Goriff. »Ich kenne den Mann.«
»Tatsächlich? Woher?«
»Man fürchtet ihn in ganz Klatsch. Das ist 71-Stunden-Ahmed!«
»Ja, aber warum …«
»Du hast noch nichts von ihm gehört? Außerdem ist er ein D’reg!«
Frau Goriff zupfte am Ärmel ihres Mannes.
»D’reg?« wiederholte Angua.
»Ein kriegerischer Wüstenstamm«, sagte Karotte. »Sehr gefährlich. Legt
großen Wert auf Ehre. Es heißt, wenn man einen D’reg zum Freund hat,
so hat man ihn für den Rest des Lebens zum Freund.«
»Und wenn er kein Freund ist?«
»Ein solcher Zustand währt höchstens fünf Sekunden.«
Karotte zog sein Schwert. »Trotzdem«, beharrte er. »Wir dürfen ihn
nicht entkommen lassen…«
»Ich habe bereits zuviel gesagt«, meinte Herr Goriff. »Wir müssen jetzt
gehen.« Die Familie griff nach ihren Bündeln.
»Viel eicht gibt es eine andere Möglichkeit, mehr über ihn herauszufin-
den.« Angua deutete zur Kutsche.
Zwei geschmeidige, langhaarige und ausgesprochen anmutig wirkende
Hunde zerrten an ihren Leinen, als man sie über den Landungssteg führ-
te.
»Klatschianische Jagdhunde«, sagte Angua. »Beim klatschianischen
Adel sehr beliebt, soweit ich weiß.«
»Sie sehen fast aus wie…« Karotte unterbrach sich, als der Groschen
fiel. »Nein, ich kann nicht zulassen, daß du allein an Bord gehst. Wenn es dort einen Zwischenfal gibt…«
»Meine Chancen wären weitaus größer als deine, glaub mir«, erwiderte
Angua rasch. »Wie dem auch sei: Bestimmt läuft das Schiff erst mit der
Flut aus.«
»Es ist zu gefährlich.«
»Nun, angeblich sind es unsere Feinde.«
»Ich meine für dich !«
»Wieso?« fragte Angua. »Ich habe nie von Werwölfen in Klatsch ge-
hört. Die Klatschianer wissen wahrscheinlich gar nicht, was uns in
Schwierigkeiten bringen könnte.«
Sie löste das Lederhalsband, an dem ihre Dienstmarke baumelte, und
reichte es Karotte.
»Sei unbesorgt«, fügte sie hinzu. »Wenn es zum Schlimmsten kommt,
springe ich einfach über Bord.«
»In den Fluß ?«
»Selbst der Ankh kann keinen Werwolf umbringen.« Angua blickte in
das trübe Wasser. »Hoffe ich jedenfalls.«
Feldwebel Colon und Korporal Nobbs waren auf Streife. Sie wußten
nicht genau, warum sie Streife gingen und was sie unternehmen sol ten,
wenn sie ein Verbrechen wahrnahmen – glücklicherweise waren sie
durch jahrelange Erfahrung in der Lage, selbst große Verbrechen zu
übersehen. Es war reine Angewohnheit: Sie waren Wächter, und deshalb
gingen sie Streife. Ein bestimmtes Ziel gab es dabei nicht. Es war gewis-
sermaßen die Essenz des Streifegehens. Nobby wurde dabei von einem ziemlich großen, in Leder gebundenen Buch behindert, das er in beiden
Armen trug.
»Ein Krieg kann der Stadt bestimmt nicht schaden«, sagte Feldwebel
Colon nach einer Weile. »Das gibt den Leuten wieder mehr Rückgrat.
Heutzutage ist al es vor die Hunde gekommen.«
»Nicht so wie damals, als wir Kinder waren, Feldwebel.«
»Da hast du ganz recht, Nobby. Nicht so wie damals, als wir Kinder
waren.«
»Damals vertrauten sich die Leute gegenseitig, stimmt’s, Feldwebel?«
»Ja, die Leute begegneten sich mit Vertrauen,
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