Fliegende Fetzen
Wozu dient das hier}« Der große Bohrer am einen Ende drehte sich mit einem leisen Quietschen.
Leonard trat hinter dem Fisch hervor.
»Wir sollten jetzt al e an Bord gehen«, sagte er. »Ich habe die Kerze an-
gezündet: Ihre Flamme wird den Strick durchtrennen, an dem das Ge-
wicht hängt, das die Bremsklötze beiseite ziehen sol .«
»Äh… wie heißt das Ding?« fragte Colon, als er dem Patrizier die Lei-
ter hinauf folgte.
»Nun, da es unter der Oberfläche des Meeres unterwegs sein wird, sollte es eigentlich Sicher-unter-der-Meeresoberfläche-reisen-Gerät heißen«,
sagte Leonards Stimme hinter dem Feldwebel.* »Aber bisher habe ich es
immer nur ›das Boot‹ genannt.«
Er schloß die Luke.
Wenige Sekunden später konnte man im Bootshaus dumpfes Pochen
hören, als sich Bolzen lösten.
* Seltsamerweise versagte Leonard von Quirms Genie, wenn es darum ging, sich gute Namen einfal en zu lassen.
Die Kerze brannte noch etwas weiter herunter, und ihre Flamme
durchtrennte einen Strick. Dadurch geriet ein Gewicht in Bewegung, und
daran befestigte Seile zogen die Bremsklötze beiseite. Die Lore mit dem
Boot rol te los, zuerst ganz langsam. Kurze Zeit später erreichte der me-
tal ene Fisch das dunkle Wasser und verschwand mit einem Glupp darin.
Niemand achtete auf Angua, als sie über den Laufsteg lief. Sie wußte,
worauf es ankam: Sie mußte den Eindruck erwecken, wie zu Hause zu
sein. Ein großer Hund, der mit angemessener Zielstrebigkeit unterwegs
war, erweckte kein Mißtrauen.
An Bord des Schiffes verhielten sich die meisten Leute wie typische
Landratten: Sie wußten nicht genau, was sie tun sol ten, und sie fragten
sich, wie sie vermeiden konnten, es zu tun. Einige der stoischer veranlag-
ten Passagiere hatten sich kleine Lager geschaffen und mit Kleidungs-
bündeln und Stoffstreifen private Bereiche abgegrenzt. Sie erinnerten
Angua an zweifarbige Abflußrohre und mikroskopisch genau festgelegte
Hausbesitzgrenzen im Geldfallenweg. Solche »Linien im Sand« vermittel-
ten folgende Botschaft: Dies ist meins, und das ist deins. Und wenn du
anrührst, was mir gehört, kriegst du die Hucke vol .
Zwei Wächter standen rechts und links neben der Tür, die zu den Ka-
binen führte. Man hatte ihnen nicht befohlen, Hunde aufzuhalten.
Am Ende des schmalen Ganges stand eine weitere Tür einen Spalt of-
fen. Angua stieß sie mit der Schnauze etwas weiter auf und sah sich um.
Eine große Kabine lag vor ihr, und sie bemerkte die beiden Hunde, die
auf einem Läufer lagen. Andere Hunde hätten viel eicht gebel t, aber
diese drehten nur ihre anmutigen Köpfe und musterten Angua aufmerk-
sam.
Ein schmales Bett war fast hinter seidenen Vorhängen verborgen. 71-
Stunden-Ahmed stand dort und wandte sich um, als Angua hereinkam.
Er bedachte die Hunde mit einem verwirrten Blick. Anschließend er-
staunte er sie, indem er auf dem Boden vor ihr Platz nahm.
»Und wem gehörst du?« fragte er in perfektem Morporkianisch.
Angua wedelte mit dem Schwanz. Jemand lag im Bett, aber wer auch
immer das sein mochte: Die Person stellte kein Problem dar. In den mei-
sten Situationen konnte man entspannt bleiben, wenn man über Kiefer-
muskeln verfügte, die mühelos ein Genick zermalmen konnten.
Ahmed klopfte ihr auf den Kopf. Nur sehr wenige Leute haben sich so
einem Werwolf gegenüber verhalten, ohne daß sie später jemanden
brauchten, der ihnen die Mahlzeiten in kleine Stücke schnitt. Doch An-
gua hatte Selbstbeherrschung gelernt.
Dann stand Ahmed wieder auf und ging zur Tür. Sie hörte, wie er
draußen einige Worte an jemanden richtete; wenige Sekunden später
betrat er wieder die Kabine und lächelte.
»Ich gehe, ich kehre zurück…«
Er öffnete einen kleinen Schrank und nahm ein edelsteinbesetztes
Hundehalsband hervor. »Du sol st ein Halsband bekommen. Oh, und
fal s du Hunger hast…« Ein Diener brachte mehrere Schüsseln. »›Nippes
und Kutteln dazu, gib dem Hund einen Knochen im Nu.‹ In Ankh-
Morpork habe ich Kinder immer wieder diesen Reim singen hören. Aber
Nippes ist keine angemessene Nahrung für einen stolzen Hund, und wer
weiß, was sich in den Kutteln verbirgt…«
Ein großer Napf erschien vor Angua. Die beiden anderen Hunde be-
wegten sich, aber Ahmed zischte ein Wort, und daraufhin verharrten sie
wieder.
In dem Napf lag… Hundefutter. Nach den Maßstäben von Ankh-
Morpork bedeutet das: Es handelte sich um etwas, das nicht einmal für
Würstchen
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