Fliegende Fische Band (Junge Liebe ) (German Edition)
haben glänzende, runde Augen, winzige Krallen und flauschiges Fell und das alles mit einem stinknormalen Bleistift.
„Cool“, sagt Daniel beeindruckt.
„Gefällt es dir?“ Man kann Mischa immer damit knacken, dass man seine Zeichnungen bewundert. „Wir haben vor ein paar Tagen so eine gefunden. Die war vom Dach gefallen. Ich war dann mit ihr beim Tierarzt und alles.“
„Und?“
Die winzige Andeutung eines Lächelns.
„War alles prima mit ihr. Sie war wohl einfach zu doof, sich richtig festzuhalten. Am Abend haben wir sie dann wieder frei gelassen. Sie schwirrte noch eine Weile so ums Haus. War schön zu beobachten.“
Daniel nickt.
„Gehst du heute Abend zum Konzert?“, fragt Mischa.
„Na klar. Was sonst.“
„Du bist in den Gitarristen von Spellbound verliebt“, stellt Mischa fest.
Daniel schüttelt den Kopf. „Und scheinbar weiß die ganze Stadt darüber Bescheid, Himmel! Als wäre ich der einzige Schwule auf diesem Planeten.“
„Lilli hat es mir erzählt. Du weißt, wir erzählen uns fast alles.“
„Ehrlich, nichts gegen dich, aber ich kann nur hoffen, dass sie dir nicht alles erzählt, was ich ihr so erzähle.“
Das winzige Lächeln verbreitert sich für den Bruchteil einer Sekunde.
„Keine Sorge. Ich behalte alles für mich. Ich habe sowieso keine Freunde, also wem soll ich es verraten?“
„Na, wie beruhigend.“
Mischa zieht sein Heft wieder zu sich und begutachtet das Ergebnis seiner künstlerischen Tätigkeit. Daniel lehnt sich zurück und schließt die Augen. Er weiß nicht, wie er die paar Stunden bis zum Abend überleben soll und die Zeit danach.
Sein Handy brummt und gibt einen Signalton von sich. Eine SMS. Daniel reißt es aus der Tasche und drückt auf „Annehmen“.
Sie ist von Peter.
Sorry. Kam vorhin wohl blöd rüber. War nur so komplett überrascht, hätte damit nie gerechnet. Noch Freunde? Gruß P.
Daniel atmet tief und versucht, sein galoppierendes Herz zu beruhigen. Mick simst nicht, hat er den ganzen Tag nicht und gestern auch nicht, also warum sollte er jetzt damit anfangen, wo die Vorbereitungen für den großen Auftritt bestimmt auf Hochtouren laufen?
Er liest die SMS ein zweites Mal. Er weiß nicht, ob er mit jemandem befreundet sein will, der zu Schwulen Schwuchtel sagt. Aber genauso blöd ist es, zehn Jahre Freundschaft wegen eines einzigen Vorfalles wegzuschmeißen.
Er schreibt zurück.
Noch Freunde. Ruf Dich nächste Woche mal an. Gruß D.
Das entspricht nicht ganz der Wahrheit, ist aber auch nicht völlig gelogen. Er kann sich jetzt einfach nicht mit Peter und seiner Einstellung befassen.
Endlich ist Lilli vorne im Laden fertig und lässt sich auf einen Stuhl neben Daniel fallen.
„Wahnsinn“, sagt sie. „Was die Leute alle Tee kaufen, bei der Hitze.“
„Besser, sie tun es, als nicht“, sagt Daniel. Lilli nickt und sieht zu ihm hinüber.
„Wie geht’s dir?“
„Ich lebe, aber nur, weil ich zäh bin.“
Sie grinst schwach.
„Ich nehme an, du gehst heute Abend zum Konzert?“
„Und wie in aller Welt sollte ich das nicht tun?“
Sie nickt.
„Was machst du bis dahin?“
„Keine Ahnung. Überleben.“
„Dann komm doch mit zu uns. Wir kriegen den Nachmittag schon rum.“
Dankbar nimmt Daniel das Angebot an.
Es wird vielleicht nicht der Nachmittag seines Lebens, aber alles ist ihm recht, das ihm beim Überleben hilft.
***
Und dann, obwohl die Zeit in ihrem Fluss geradezu erstarrt war, ist es doch soweit. Der Kirchplatz ist durch den Auftritt einer ACDC-Coverband gut aufgewärmt. Tausende Menschen stehen dicht gedrängt, die Scheinwerfer überschütten den Platz mit glitzernden Lichtsplittern. Die Sterne gehen gerade über der Stadt auf; fern und blass. Daniel und Lilli stehen etwas seitlich und nicht ganz vorne: Lilli, weil sie bei größeren Menschenansammlungen schnell mal in Panik gerät, Daniel, weil er die Tarnung in der Menge zum Überleben braucht. Ein paar Helfer rüsten die Bühne um, entfernen das Banner mit dem Schriftzug der anderen Band und hängen das große, schwarz-weiße Spellbound-Transparent auf. Vereinzelte Fanrufe und rhythmisches Klatschen wird laut. Daniel denkt, dass die dicht gedrängte Menge doch ihre Vorteile hat. So kann er nicht umfallen, wenn er vor Aufregung stirbt.
Lilli lächelt ihm zu und legt ihm den Arm um die Schulter. Sie hat sich hübsch gemacht; ihre Lippen glänzen, ihr dunkles Haar fällt ihr lose über die Schultern. Man sieht ihr an, wie stolz und glücklich sie
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