Fliegende Fische Band (Junge Liebe ) (German Edition)
wie ein Geist. Nur wenn ich Musik mache, spüre ich, dass ich … ich weiß nicht. Vielleicht spüre ich nur dann, dass es mich wirklich gibt.“
Daniel sieht Mick an. Mick senkt den Blick und startet den MP3-Player.
„Manchmal ist es cool“, sagt er, als die Musik schon beginnt und seine Stimme vermischt sich mit Keyboard und Gitarre. „Unberührbar zu sein. Aber manchmal will ich einfach nur schreien, damit jemand mich hört.“
Er lässt den Kopf zur Seite sinken und sieht Daniel an, Daniel gibt sich Mühe und hält dem dunklen Tiefseeblick stand.
Ein Tauchschein ist sinnlos. Mindestens ein U-Boot wäre nötig, um das zu erforschen, was in dieser Tiefe wohnt.
Daniel fragt sich, ob er dieses Wagnis wirklich eingehen will.
Bereitwillig hört er sich noch zwei Pink Floyd-Titel an, dann beschließt er, dass er jetzt mal eine Pause braucht, von der Musik und von Mick.
Vorsichtig steht er auf und hält sich an der Fassade fest. Sobald er sich bewegt, fällt ihm wieder ein, dass zwischen ihm und fünfzehn Metern Luft nichts ist als ein paar staubige, mit grauer Farbe verschmierte Bretter.
Er steigt über Micks Beine und nähert sich dem Knäuel, das aus Lilli und Jo besteht.
„Gibt’s Essen? Nicht alle von uns werden von Luft und Liebe satt.“
„Warte.“ Lilli macht sich von Jo los. „Hier.“
Sie zieht den Rucksack her, der die gesammelten Werke fürs Picknick beinhaltet: zerdrückten Kuchen, belegte Brote, Kartoffelchips und Süßkram, den Jo beigesteuert hat. Nur Mick hat offenbar lediglich sich selbst mitgebracht.
Daniel ist erleichtert, dass Lilli seinen bittenden Blick versteht und sich weit genug von Jo entfernt, um wieder als einzelnes Wesen wahrgenommen zu werden. Kurzerhand drängt Daniel sich zwischen Lilli und Mick auf die Isomatte. Es ist eng, denn Mick rückt nicht beiseite und Daniel ignoriert die langen Blicke, die ihn treffen und ihm wie flüssiges Kerzenwachs den Rücken hinunterrinnen. Er nimmt sich ein belegtes Brot, zieht sich sein Bier ran und beginnt zu essen. Neben ihm packt Lilli sich ein Stück Kuchen aus.
„Nette Aktion“, sagt sie. „Sollten wir öfter machen.“
„Ja“, sagt Daniel und denkt an nächtliche Freibadbesuche und „blindes Zugfahren“: Lillis Idee, bei der man wahllos in einen Zug einsteigt, um die Spannung zu erhöhen. Einmal haben sie einen ICE erwischt und mussten bis Frankfurt mitfahren, weil er vorher nicht anhielt.
Lieber nicht mehr blind Zugfahren. Daniel hat immer noch Schulden bei seiner Mutter, die das Bußgeld wegen Schwarzfahrens bezahlt hat.
„War es einfach, von Zuhause wegzukommen?“, erkundigt er sich.
„Kinderleicht.“ Lilli beißt in ihren Kuchen. „Meine Eltern waren noch am Streiten, wegen Mischa. Ich hab einfach meine Jacke genommen und bin gegangen.“
„Was hat er denn jetzt wieder angestellt?“, erkundigt sich Jo, den Arm bis zum Ellenbogen im Rucksack.
„Versaut sich seine Noten“, sagt Lilli mit vollem Mund. „In Mathe hat er den Prüfungsbogen mit Fledermäusen bemalt und in Deutsch kürzlich hat er statt des Aufsatzes ein ganz gruseliges Bild abgegeben, mit Leuten, denen das Gesicht vom Kopf fließt und so. Passiver Widerstand nennt man das wohl. Jedenfalls wird er sitzen bleiben und meine Eltern regen sich ohne Ende auf.“
„Dein Bruder hat ein paar Schrauben locker“, sagt Jo kopfschüttelnd.
„Falsch“, sagt Daniel. „Dein Bruder hat ein Problem.“
„Das eine schließt das andere nicht aus. Aber er tyrannisiert seine Umgebung mit seinem Künstler-Tick und das finde ich nicht fair.“
„Trotzdem ist er eigentlich ganz nett“, verteidigt Daniel Lillis jüngeren Bruder. „Nur eben … unangepasst.“
„Das hast du schön gesagt“, sagt Lilli und spült ihren Kuchen mit Bier hinunter.
„Du hast ein Herz für Künstler.“ Mick legt den Kopf an Daniels Schulter. „Find ich gut. Künstler ticken einfach anders als der Rest der Welt, sonst wären sie keine.“
Daniel sieht, wie Lilli einen langen Blick mit Jo wechselt. Eine merkwürdige Anspannung ballt sein Inneres zur Faust.
„Nimmst du bitte das Kinn von meiner Schulter“, sagt Daniel. „Ich bin kein Sofa.“
„Ich brauch das gerade“, sagt Mick. „Ein bisschen menschliche Wärme. Du auch. Du willst es nur nicht zugeben.“
„Aha. Interessant. Erzähl mir mehr Dinge über mich, die ich noch nicht weiß.“
„Echt?“
„Nein!“
„Oh. Humor. Verstehe.“
„Sprechen wir eigentlich die gleiche Sprache, sag mal?“
„Ich
Weitere Kostenlose Bücher