Fliegende Fische Band (Junge Liebe ) (German Edition)
Augenblick ist es, als hätte einer die Zeit angehalten.
„Willkommen an der Stätte unseres Ruhmes!“ Mick schwingt sich einen Rucksack auf den Rücken. „Gefällt mir gleich viel besser hier, so ohne Lehrer. Sagt mal, wenn wir schon hier sind, dann könnten wir doch gleich unten einbrechen und ein paar Chemikalien klauen. Um eine Bombe zu bauen. Wie wäre das?“
„Unverhältnismäßig riskant“, sagt Daniel. „Ich will mein Abitur nicht im Gefängnis machen.“
Mick mustert Daniel.
„Bist du ein Streber?“
„Was ist das denn für eine Frage?“
„Nur so. Ich glaube, du hast gute Noten, oder?“
„Deshalb muss man kein Streber sein.“
„Stimmt.“ Mick zieht die Nase hoch. „Ich finde nur, du siehst aus wie ein Streber. Nicht wie einer, der nachts in seine Schule einbricht.“
„Echt, jetzt? Ja, wenn das so ist, dann gehe ich besser wieder. Hilfst du mir über das Tor?“
Mick starrt Daniel an.
„Sei nicht so böse zu ihm, Daniel.“ Lilli legt ihm eine freundschaftliche Hand auf die Schulter. „Er verträgt das nicht.“
„Hast du eine Ahnung, was ich vertrage“, sagt Mick finster.
„Lasst uns gehen, Leute“, sagt Jo. „Wir wollen doch unser Picknick nicht auf dem Schulhof abhalten, oder?“
Mick nickt ihm zu und setzt sich in Bewegung.
Die anderen folgen ihm ums Haus herum und in den Schulgarten. Die Sandsteinfassade der Schule ist hier von einem Baugerüst bedeckt, das bis hinauf zum Dach reicht. Daniel legt den Kopf in den Nacken und schaut nach oben. Jetzt, wo er die Angelegenheit aus der Nähe betrachtet, ist er nicht sicher, ob er Höhenangst entwickeln wird.
Inzwischen holen Lilli und Jo eine Leiter aus der Hecke, wo sie versteckt seit dem Nachmittag gelegen hat und lehnen sie gegen das Gerüst.
Daniel packt als erster die Leiter und klettert auf die unterste Ebene des Baugerüstes. Er kennt sich selbst. Wenn er nur lange genug darüber nachdenkt, werden ihm all die Sachen einfallen, die schief gehen können und der Ärger, den sie alle kriegen, wenn sie erwischt werden und die Höhenangst wird sich zu einem unbezwingbaren Wall auftürmen und dann hat er sich selbst den ganzen Spaß verdorben.
„Gepäck“, sagt er und streckt die Hände aus. Jo reicht die beiden Rucksäcke nacheinander hinauf und Daniel schiebt sie auf die Ebene über ihm.
„Ich entdecke immer neue Seiten an dir“, staunt Mick.
„Du wirst dich noch wundern“, sagt Daniel und weiß selber nicht, was genau er damit meint.
Nacheinander erklimmen sie das Baugerüst, ziehen die Leiter hoch und legen sie zur nächsten Ebene an. Mit dem Gepäck dauert es eine ganze Weile, bis sie oben, auf der Höhe des vierten Stockwerks, angekommen sind.
Die Luft hier oben ist deutlich kühler als unten. Der Wind zerrt an Daniels Haaren und Jacke und lässt die Gerüststangen vibrieren. Unten ist es dunkel, aber Daniel hat vorsichtshalber schon im zweiten Stockwerk aufgehört, nach unten zu schauen.
„Wow“, sagt Lilli beinahe andächtig. „Toll hier oben.“
Daniel sieht zu ihr hinüber. Der Wind bläst ihr den dunklen Zopf ins Gesicht, sie sieht aus, als würde sie ein wenig frieren. Automatisch streckt er den Arm aus, um sie an sich zu ziehen, aber dann traut er sich doch nicht und lässt den Arm wieder sinken. Jo ist nett, aber Daniel will doch lieber keine falschen Signale senden.
Schade, eigentlich. Daniel schlingt die Arme um sich selbst.
„Höhenangst?“, fragt Mick hinter ihm und grinst hörbar.
„Geht so“, sagt Daniel.
Mick lehnt sich über die Brüstung und streckt die Arme aus wie Leonardo di Caprio in Titanic .
„Nach der Schule will ich einen Flugschein machen. Fliegen muss toll sein.“
„Nimm ein Bier, bevor du abhebst“, schlägt Jo vor. Mick winkt mit den Fingern und Jo drückt ihm die geöffnete Flasche in die Hand. Daniel zieht sich vorsichtig von der Brüstung zurück und sucht Halt an der Fassade. Die Gerüstbretter vibrieren bei jedem Schritt. Er sieht zu, wie die anderen die mitgebrachten Isomatten auspacken und sich darauf niederlassen. Lilli dreht sich zu ihm und streckt die Hand nach ihm aus. Sein schwindeliges Gefühl bekämpfend, setzt er sich vorsichtig neben sie.
Das Gerüst ist schmal. Wenn Daniel die Beine ausstreckt, hängen seine Füße über dem Abgrund. Er zieht die Knie zur Brust und lässt den Blick über die Stadt schweifen, von der nichts zu sehen ist, nur Lichter.
Es ist halb zwei Uhr morgens. Keine Autos unterwegs. Unverdrossen regelt die Ampel unten
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