Fliegende Fische Band (Junge Liebe ) (German Edition)
Handflächen übers Gesicht. Im Ufergebüsch streiten sich die Enten quakend um die Reste der Waffel. Daniel könnte einfach aufstehen und rauf zur Straße gehen, wo sein Fahrrad steht. Schließlich ist er nicht am Boden festgeleimt. Aber er tut es nicht. Er will sich nicht aus der Reichweite der streichelnden Hand begeben und kann doch gleichzeitig nicht mit dem dringenden Bedürfnis umgehen, das sein Körper da plötzlich produziert.
Er war bisher immer zufrieden damit, sich als Kopffüßler zu betrachten, als Gehirn auf zwei Beinen.
Blöd nur, wenn sich herausstellt, dass das Gehirn tatsächlich die größte erogene Zone des Körpers ist.
„Es muss gar nichts bedeuten“, sagt Mick. „Wenn es dir dann leichter fällt. Ein bisschen Entspannung unter guten Kumpels, nichts weiter.“
Daniel schluckt an einem unpassenden Lachen.
„Glaub mir. Das letzte, was ich für dich sein will, ist ein guter Kumpel.“
Mick packt Daniels T-Shirt und zieht kräftig und Daniel verliert das Gleichgewicht und fällt nach hinten um.
„Na also“, sagt Mick. „Geht doch.“
Daniel dreht das Gesicht zu Mick. Mick versucht ein siegessicheres Lächeln, aber Daniel erkennt die Anspannung und Unsicherheit darin.
Er fragt sich, wann er begonnen hat, hinter Micks Maske zu sehen.
Er legt die Hand auf Micks Wange und küsst ihn.
Und Nachdenken erübrigt sich.
Dreieinhalb glorreiche Minuten später ist alles vorbei und Daniel hat einen Puls von gefühlten achthundert.
„Wow“, flüstert Mick an seinem Ohr. „Das war … wow.“
Daniel vergräbt das Gesicht in Micks Haaren und atmet seinen Geruch, der mit Gras und Sonne durchzogen ist. Seine rechte Hand ist auf unbequeme, wunderbare Weise zwischen ihnen eingeklemmt und mit der linken spürt er, wie glatt und warm Micks Rücken ist.
„Das war überhaupt nicht geplant“, flüstert er.
„Ich weiß. Ich bin nicht planbar.“
Daniel nickt und küsst sachte Micks Piercing. Mick lächelt.
Der Wind streicht über Daniels nackte Schultern. Oben auf der Straße fährt ein Auto vorbei und eine Ente startet mit klatschenden Flügelschlägen aus dem Wasser. Das Gras duftet und kitzelt ein wenig auf der Haut. Allmählich schläft Daniels rechte Hand ein, aber würde er sie jetzt bewegen und von dort unten rausziehen, müsste er sich eingestehen, wo diese Hand gerade gewesen ist und wie schön es sich angefühlt hat und dazu ist er noch nicht bereit.
Es ist schließlich Mick, der die Zauberstarre durchbricht. Er dreht sich auf den Rücken, zieht sich die Jeans hoch und fingert eine zerdrückte Zigarettenschachtel aus der Gesäßtasche.
„Mist.“
„Was?“, sagt Daniel, der immer noch damit beschäftigt ist, seine rechte Hand zu ignorieren.
„Kippen sind alle.“ Frustriert zerknüllt Mick die leere Packung. „Fährst du mit in die Stadt?“
„Ich finde, du solltest das Rauchen aufgeben“, sagt Daniel.
„Komm mir nicht so. Rauchen ist ungesund, Rauchen schädigt das Hirn, Rauchen macht impotent, blabla. Das drucken die doch auf jede Packung.“
„Rauchen kann tödlich sein“, sagt Daniel.
„Fahrradfahren kann tödlich sein“, murrt Mick. „Oder kennst du jemanden, der am Rauchen gestorben ist?“
„Ja. Mein Vater.“
Schweigen. Mick starrt Daniel an, sein Gesicht ist überrascht und auf eine Art verletzlich, die ihn jünger macht.
„Scheiße“, sagt er schließlich.
„Ja.“
„Wann denn? Ich meine – wie lange …?“
„Zehn Jahre.“
„Und er ist tatsächlich am Rauchen gestorben?“
Daniel zieht die Schultern hoch. Es fällt ihm erstaunlich leicht, über das Thema zu sprechen.
„Zweifelsfrei beweisen kann man es nicht. Aber er war Raucher und dann hat er einen Lungenkrebs entwickelt. Natürlich gibt es auch Lungenkrebspatienten, die vorher nicht geraucht haben – und Raucher, die hundert Jahre alt werden. Aber dass Rauchen diese Krankheit sehr begünstigt, ist unumstritten.“
Mick nickt betroffen.
„Gewöhn es dir ab“, sagt Daniel. „Du willst das nicht. Du willst keinen tennisballgroßen Tumor in der Lunge und Metastasen im Gehirn und im Rückenmark. Du willst keine Chemo und keine Bestrahlung und du willst nicht ganz langsam in diesem Krankenhausbett sterben.“
Mick lässt Luft ausströmen und nickt zögernd.
„Ich weiß es ja“, sagt er. „Aber es ist … na ja. Irgendwie schwer, damit aufzuhören.“
„Strahlentherapie ist schwerer, glaub mir.“
Daniel lächelt vorsichtig.
„Du kannst jedes Mal zu mir kommen und mich
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